"Ein Haus voll Glorie schauet" Stadt-Hymne und Ohrwurm des Papstes

SIEGBURG · Mit einem großen Zapfenstreich hat sich das Wachbataillon der Bundeswehr Ende April von seiner Garnisonsstadt Siegburg verabschiedet - ein besonderer Moment im Jahr der Siegburger 950-Jahr-Feier.

 Siegburg um 1900: Die Abtei hatte damals einen Anbau, der als Zuchthaus genutzt wurde.

Siegburg um 1900: Die Abtei hatte damals einen Anbau, der als Zuchthaus genutzt wurde.

Foto: Repro

Schon 2007 hatte es einen Zapfenstreich gegeben. Als damals das 50-jährige Bestehen des Wachbataillons und Musikkorps gefeiert wurde, gehörte das Zeremoniell bei Fackelschein auf dem Siegburger Marktplatz natürlich dazu. Franz Huhn, der sich als Bürgermeister einen musikalischen Beitrag vom Musikkorps der Bundeswehr wünschen durfte, entschied sich damals für ein Stück, das in Siegburg den Status einer Stadt-Hymne genießt und in ganz Deutschland bekannt ist: "Ein Haus voll Glorie schauet."

Das deutschlandweit bekannte Kirchenlied aus dem Jahr 1876 stammt aus der Feder eines Siegburgers. Der Komponist Joseph Hermann Mohr erblickte am 10. Januar 1834 als Lehrersohn im damaligen Progymnasium, dem heutigen Stadtmuseum, das Licht der Welt. Mohr kam dort 20 Jahre vor Engelbert Humperdinck zur Welt, der ebenfalls Siegburger Lehrersohn war und mit ihm nicht nur den musikalischen Erfolg, sondern auch das Geburtshaus teilt. Im Gegensatz zu Humperdinck hatte sich Mohr der geistlichen Musik verschrieben. Die hatte er als Knabe an der Orgel der Siegburger Servatiuskirche - seiner Taufkirche - bereits regelmäßig im Gottesdienst gespielt, später wurde er zum Kirchenlied-Sammler, Kirchenlied-Komponisten und Musikwissenschaftler.

Als 19-Jähriger entschied sich Mohr jedoch zunächst für ein Ordensleben. Die Mitgliedschaft in der Gesellschaft Jesu brachte mehrere Auslandsaufenthalte für den Jesuiten mit sich und musikwissenschaftliche Kirchenlied-Studien im In- und Ausland. Warum "von den alten Liedern nur so wenige in die neueren Gesangbücher aufgenommen wurden" und warum "diese wenigen noch dazu so sehr verändert worden wären" hat Mohr bereits seit früher Kindheit und noch während seiner Studienzeit beschäftigt.

Reformatorisches Gedankengut, das dem "Cäcilianismus" des 19. Jahrhunderts zu eigen ist, klingt in diesem in den Heimatblättern des Siegkreises von 1934 bezeugten Zitat an. Ausgehend von einer ästhetisch motivierten Wiederbelebung älterer Kirchenmusik, war diese Bewegung unter anderem darum bemüht, volkssprachliche Kirchenlieder zu fördern und gregorianischen und mehrstimmigen Gesang zu pflegen. Von daher ist Mohr als wichtiger Vertreter dieser Strömung zu verstehen, wenn er später Kirchenlieder sammelt und veröffentlicht, selbst komponiert, oder Choralausgaben, Gebetbücher und praktische Erklärungen zu bis dato überkommenen Gattungen und Formen herausgibt.

Zu seinen bekannten Kirchenliedern gehören "Maria, breit den Mantel aus" und "Dir jubeln Engelchöre", nicht jedoch, wie oft fälschlicherweise angenommen, "Stille Nacht, Heilige Nacht". Das schrieb sein Namensvetter aus Salzburg. Als "Ohrwurm des Papstes" bezeichnete eine Veröffentlichung des Erzbistums München und Freising vor vier Jahren das Lied "Ein Haus voll Glorie schauet". Papst Johannes Paul II. hatte sich gegenüber deutschen Bischöfen zu seinen Höreindrücken bei wiederholten Deutschlandreisen während seines Pontifikats geäußert und dem Hymnus attestiert, dass aus ihm "die Freude an der Kirche und auch der Stolz, zu ihr zu gehören" spreche.

Was das "Haus voll Glorie schauet" für viele Bewohner der Kreisstadt mit Lokalkolorit färbt: Das "voll Glorie" schauende "Haus" ist die Abtei auf dem Michaelsberg. Im Angesicht des Siegburger Wahrzeichens schuf Mohr sein kirchenmusikalisches Kleinod.

Mohr starb am 7. Februar 1892. Die Karriere des Kirchenmusikers schien bislang glanzvoll und einzigartig, auch wenn Mohr aus dem Orden entlassen worden war. Bislang wurde der Austritt immer als freiwillige Aktion zugunsten besserer musikwissenschaftlicher Forschungsbedingungen dargestellt. In einer neueren Studie brachte Klaus Schatz ("Geschichte der deutschen Jesuiten", Münster 2013) einen anderen - unfreiwilligen - Grund zutage: Der erfolgreiche Kirchenmusiker hatte die Honorare seiner Bücher "einem Dritten und über ihn seinen Verwandten zukommen" lassen.

Mohrs Handeln verfolgte zwar offensichtlich einen wohltätigen Zweck, doch der Erlös aus den Verkäufen seiner Bücher gehörte dem Orden, und der hätte zivil- oder strafrechtliche Schritte wegen Unterschlagung einleiten können. Mit Rücksicht auf Mohrs Verdienste tat man dies nicht, entließ den Geistlichen dann aber im Oktober 1882 aus dem Orden. Er kam daraufhin in der Erzdiözese München als Weltpriester unter. Der Schönheit und Erhabenheit seiner Kirchenlieder tut dies indes keinen Abbruch.

Ein Haus voll Glorie schauet

1. Ein Haus voll Glorie schauet

Weit über alle Land',

Aus ew'gem Stein erbauet

Von Gottes Meister Hand.

Gott! wir loben dich;

Gott! wir preisen dich;

O laß im Hause dein

Uns all' geborgen sein!

2. Auf Zion hoch gegründet

steht Gottes heilge Stadt,

dass sie der Welt verkündet,

was Gott gesprochen hat.

Herr, wir rühmen dich,

wir bekennen dich;

denn du hast uns bestellt,

zu Zeugen in der Welt.

3. Die Kirche ist erbauet

auf Jesus Christ allein.

Wenn sie auf ihn nur schauet,

wird sie im Frieden sein.

Herr, dich preisen wir,

auf dich bauen wir;

lass fest auf diesem Grund

uns stehn zu aller Stund.

Joseph Hermann Mohr (1876)

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