Interview mit Landrat Sebastian Schuster "Jetzt geht es erst richtig los"

SIEGBURG · Seit knapp zwei Monaten ist Sebastian Schuster Landrat. Im Gespräch mit dem GA spricht er über sein Amt, seine Pläne, und die Zusammenarbeit in der Region.

 Seit knapp zwei Monaten im Amt: Landrat Sebastian Schuster im GA-Interview.

Seit knapp zwei Monaten im Amt: Landrat Sebastian Schuster im GA-Interview.

Foto: Holger Arndt

Viel hat sich im Büro des Landrats nicht geändert, seitdem Frithjof Kühn am 22. Juni das Amt abgegeben hat. Abgesehen davon, dass die Wände neu gestrichen sind und jetzt ein Computer auf dem Schreibtisch steht. Der neue Landrat Sebastian Schuster will vorerst alles so belassen, zumal er in den nächsten Jahren wegen der Brandschutzsanierung im Kreishaus ohnehin mit seinem Büro umziehen muss. Nichts überstürzen, sondern erst einmal alles in Ruhe kennenlernen: Das ist die Devise des 58-Jährigen. Mit Sebastian Schuster sprachen Jörg Manhold und Dominik Pieper.

Herr Schuster, was für ein Gefühl ist es, plötzlich einen 1400 Mitarbeiter zählenden Konzern wie den Kreis zu führen?
Sebastian Schuster: Das ist ein tolles Gefühl. Ich bin gut angekommen und im Haus positiv aufgenommen worden. Bisher habe ich aber hauptsächlich nur mit den Dezernenten und den Amtsleitern zu tun gehabt. Ich werde nach der Urlaubszeit in alle Abteilungen und Ämter gehen, um mich persönlich vorzustellen. Außerdem kommen jetzt die Fraktions- und Ausschusssitzungen, die zweite Kreistagssitzung. Jetzt geht es erst richtig los.

Haben Sie etwas sofort geändert, nachdem Sie ins Amt gekommen sind?
Schuster: Zunächst einmal möchte ich mir alles in Ruhe anschauen und nichts Hals über Kopf verändern. Aber ich habe mir anders als noch mein Vorgänger einen PC auf den Schreibtisch stellen lassen, weil ich selbst sehr viel über E-Mail kommuniziere - was meine Vorzimmerdamen anfangs sehr irritiert hat (lacht).

Heißt das, dass Sie selbst direkt antworten, wenn Ihnen ein Bürger schreibt?
Schuster: Das kann ich nicht, weil ich mich zuerst selbst schlau machen muss. Die Anfragen gebe ich an die Ämter weiter, wo die Anliegen bearbeitet werden.

Woran merken die Mitarbeiter und Bürger, dass jetzt Sebastian Schuster und nicht mehr Frithjof Kühn "Chef" im Kreishaus ist?
Schuster: Jeder "Chef" hat sicher seinen eigenen Stil, und da kann ich nur für mich sprechen. Ich schätze die Arbeit meiner Verwaltung und meiner Kreispolizeibehörde sehr, möchte viele Themen und Aufgaben und auch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennenlernen und offen kommunizieren. Zu Beginn werde ich viele Fragen stellen! Ich werde aber auch viel in der Region präsent und für die Menschen da sein. Verwaltungsintern sind insbesondere die Dezernenten meine ersten Ansprechpartner. Mir ist es wichtig, sie einzubinden.

Der Kreis hat ein großes Themenspektrum zu beackern. Wie arbeitet man sich da ein?
Schuster: Das geht nur peu à peu. Beispielsweise werde ich im Vorfeld der Ausschusssitzungen viel mit den Fachbereichen zusammensitzen. Auch bei den Antrittsbesuchen in der Nachbarschaft muss ich natürlich entsprechend vorbereitet sein. Wenn ich meinen Kollegen in Neuwied treffe, sollte ich über das Thema Katastrophenschutz Bescheid wissen - wegen der A 3 und der ICE-Stecke, die jeweils durch beide Kreise verlaufen. Und wenn ich nach Altenkirchen fahre, sollte ich beim Naturschutzprojekt "Chance 7" auf dem neuesten Stand sein.

Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch haben Sie gleich nach ihrem Amtsantritt besucht. Nun hört er nächstes Jahr auf. Wie wirkt sich das auf die Zusammenarbeit aus?
Schuster: Atmosphärisch wird sich das nicht auswirken. Die Chemie zwischen Herrn Nimptsch und mir stimmt. Das Problem ist eher, dass jetzt in Bonn ein Jahr lang Wahlkampf stattfinden wird. Es ist zu befürchten, dass da nicht viel entschieden wird.

Beim Thema Berlin/Bonn waren sich Kühn und Nimptsch im Ziel einig, aber nicht immer im Weg. Wo verorten Sie sich da?
Schuster: Ich bestehe ohne Wenn und Aber auf Einhaltung des Gesetzes. Es kann nicht sein, dass es aufgeweicht oder in Frage gestellt wird. Ich bin aber auch Realist. Es ist nicht auszuschließen, dass es eines Tages im Bundestag eine Mehrheit gibt, die dieses Gesetz ändern könnte. Da muss die Region wachsam sein. Leider ist das Gesetz ein stumpfes Schwert, weil es uns - anders als ein Vertrag - keine Anspruchsgrundlage bietet. Das heißt, wir können nicht gegen Verstöße vorgehen.

Wo ist bei der Zusammenarbeit mit Bonn noch Luft nach oben?
Schuster: Wir arbeiten gut zusammen, unter anderem beim Sport und im Bereich Schule und Bildung. Hier gibt es zum Beispiel das regionale Übergangsmanagement Schule und Beruf - ein herausragendes bildungspolitisches Flaggschiff in der Region. Regionale Themen werden zudem regelmäßig in den gemeinsamen stattfindenden Verwaltungskonferenzen des Rhein-Sieg-Kreises und der Bundesstadt Bonn erörtert. Aber es gibt da durchaus noch einige Bereiche, die verbesserungswürdig sind. Wir leben in einer der schönsten Regionen Deutschlands, das muss man gemeinsam nutzen. Nehmen wir das Thema Tourismus. Das ist ein für den Kreis wichtiges Thema und liegt mir besonders am Herzen. Da ist es doch unbegreiflich, wenn die Tourismus und Congress Gmbh Bonn/Rhein-Sieg-Ahrweiler auf der ITB in Berlin (internationale Messe der Tourismuswirtschaft, Anm. d. Red.) nicht die Angebote des Rhein-Sieg-Kreises vorstellt. Nächstes Jahr werde ich persönlich überprüfen, ob das gemacht wird. Auch bei der Kultur könnten wir noch mehr mit Bonn zusammenarbeiten. Aber nicht in dem Sinne, dass wir das Bonner Opernhaus mitfinanzieren. Umgekehrt könnten wir den Bonnern dann auch sagen: "Dann gebt uns mal Geld für den Drachenfels oder den Petersberg."

Wie sieht es beim Thema Verkehr aus? Kühn hat die Bonner ja oft mit seinem Engagement für die Südtangente geärgert.
Schuster: Ohne Frithjof Kühn nach dem Mund reden zu wollen: Auch ich bin der Auffassung, dass wir die Stauproblematik nicht allein durch die Stärkung des Radverkehrs oder des ÖPNV in den Griff bekommen. Da muss schon mehr passieren. Würde der Venusbergtunnel gebaut, hätte man zumindest den Autobahnring um Bonn komplett. Ich bin aber auch offen für andere Lösungen. Denn eines steht fest: Beim Status quo wird es kaum bleiben können. Das könnte verheerende Auswirkungen haben. Ich weiß, dass die Präsenz der Dax-Unternehmen in Bonn nicht gottgegeben ist. Es interessiert sie, wie ihre Mitarbeiter zur Arbeit kommen. So ein Konzern ist jederzeit in der Lage, über einen Umzug nachzudenken.

Es gibt immer wieder mal Diskussionen über eine Fusion zwischen Bonn und dem Kreis. Wie sehen Sie das?
Schuster: Es gibt bisher nur zwei Regionen, die man als Vergleich heranziehen könnte: die Städteregion Aachen und die Region Hannover. Wenn ich richtig informiert bin, funktioniert das nirgendwo richtig - jedenfalls nicht so, dass man eine Win-win-Situation hätte. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Städte wie Troisdorf, Siegburg oder Sankt Augustin so etwas mitmachen würden. Damit würden sie ihr Recht auf kommunale Selbstverwaltung aufgeben, was ein hohes Gut ist.

Als Landrat haben Sie es mit 19 selbstbewussten Kommunen zu tun. Welchen Spielraum haben Sie, wo können Sie Akzente setzen?
Schuster: Ich werde mich für eine intensive und gute kommunale Zusammenarbeit einsetzen. Das betrifft zum Beispiel Gewerbeflächen, aber auch Synergien, die genutzt werden müssen, um Doppel- und Dreifacharbeit der Verwaltungen zu reduzieren. Außerdem will ich den Ausgleichsgedanken wieder stärker betonen. Kleinere und finanzschwache Kommunen dürfen nicht auf der Strecke bleiben. In den vergangenen Jahren fehlte es da oft an Solidarität. Die Gründung städtischer Jugendämter, der ÖPNV und die Diskussion um den Ankauf von Rhenag-Geschäftsanteilen sind da nur drei Beispiele.

Wird der Kreis noch einmal versuchen, von RWE Anteile der Rhenag zu erwerben?
Schuster: Das werden wir neu angehen, aber nicht schon zu den kommenden Haushaltsberatungen. Dass es im vergangenen Jahr so viel Widerstand seitens der Kommunen gab, hat sicher auch damit zu tun, dass die Informationen früher hätten fließen können. Inzwischen habe ich von den Bürgermeistern gehört, dass sie dem Thema durchaus offen gegenüberstehen.

Der Kreis besitzt 1,4 Millionen RWE-Aktien. Werden Sie in den RWE-Aufsichtsrat gehen?
Schuster: Sie wollen mich wohl aufs Glatteis führen! (lacht)

Was sagen Sie denn, wenn man Sie fragen würde, dort einzusteigen - als Privatperson, so wie ihr Vorgänger Frithjof Kühn es für sich dargestellt hat?
Schuster: Ich würde mich geehrt fühlen. Über alles Weitere mache ich mir Gedanken, wenn es so weit kommen würde.

Herr Kühn möchte aufgrund eines Rechtsgutachtens, das er als Landrat in Auftrag gegeben hat, 600 000 Euro vom Kreis zurück. Hat sich das NRW-Innenministerium schon dazu geäußert?
Schuster: Nein. Ich hoffe, dass man in Düsseldorf die Rechtslage jetzt endlich prüft und damit eine Klärung beim Thema Aufsichtsratsvergütungen herbeiführt.

Die SPD hat die Landratswahl angefochten: Sie wirft dem Kreis vor, er habe in den letzten Tagen der Ära Kühn das Rechtsgutachten zum Aufsichtsratsgeld vor dem Wahltag zurückgehalten. Was passiert jetzt?
Schuster: Wir haben zur Wahlanfechtung ein Gutachten bei einem Kölner Fachanwalt in Auftrag gegeben. Es liegt in Kürze vor. Das Thema kommt im September in den Wahlprüfungsausschuss, im Oktober in den Kreistag.

Zur Person

Sebastian Schuster (58) kommt gebürtig aus Darmstadt, ist aber im Rheinland aufgewachsen. Der passionierte Sportler (Fußball, Tennis) und Fan des 1. FC Köln lebt in Berghausen bei Oberpleis. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Schuster war vor seiner Tätigkeit als Landrat 30 Jahre lang Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei. Von 1989 an saß er 25 Jahre für die CDU im Kreistag, zuletzt als Fraktionschef.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort