Für Alexander Borgenz dreht sich alles um Sauberkeit und Ordnung In reinlicher Mission

SIEGBURG · Wenn sich abends die Stadt langsam leert, entfernt Alexander Borgenz die Überbleibsel des Tages. Jeden Tag - außer sonntags - dreht er im Wechsel mit seinen Kollegen zwischen 18 und 20 Uhr eine Runde durch Siegburg und transportiert die Hinterlassenschaften seiner Mitbürger ab.

 In einem Kleinlaster sammelt Alexander Borgenz den Inhalt der Müllbehälter, bevor er den Abfall zum Bauhof bringt.

In einem Kleinlaster sammelt Alexander Borgenz den Inhalt der Müllbehälter, bevor er den Abfall zum Bauhof bringt.

Foto: Paul Kieras

Vom Bahnhof aus über den Markt und weiter Richtung Kaiserstraße nimmt er sich jeden Mülleimer vor, sammelt den Unrat in einer Tonne und bringt ihn zu seinem Kleinlaster. "Heute ist es nicht so viel", sagt er, als er einen Zwischenstopp am Hühnermarkt macht.

Doch schüttelt er den Kopf darüber, was er im Müll so alles findet: vor allem Lebensmittel. Regelmäßig entdecke er belegte Brötchen, ganze Brote und sogar abgepacktes Fleisch, bei dem nicht einmal das Verfallsdatum überschritten sei. Das kann Borgenz nicht verstehen. Woanders werde gehungert und hier schmeiße man alles weg.

In Kasachstan geboren, lebt Borgenz seit 20 Jahren in Deutschland und arbeitet seit elf Jahren als Garten- und Landschaftspfleger. Der 59-Jährige hat eigentlich ein ruhiges Naturell. Doch über Menschen, die ihren Restmüll, Schuhe, Kleidung, Flaschen und sogar Elektrogeräte über öffentliche Müllbehälter loswerden, regt er sich gehörig auf.

In der Nähe eines Reisebüros finde er immer wieder ganze Pakete mit Reisekatalogen, noch in Folie eingeschweißt. Aber auch Brieftaschen und Portemonnaies würden immer wieder auftauchen, samt Führerschein, EC-Karte und Ausweisen. Die seien gestohlen und von den Dieben hastig weggeworfen worden, weil es ihnen nur ums Bargeld gehe.

Etwas größer fallen die Funde aus, wenn Borgenz einen Abschnitt des Mühlengrabens in Höhe der Wilhelmstraße kontrolliert. "Duzende von Fahrrädern und Einkaufswagen habe ich hier schon rausgezogen", erzählt er, während er eine weitere Tonne mit Abfall auf die Ladefläche seines Fahrzeugs kippt.

Ab und an erfährt der 59-Jährige sogar Anerkennung für seine Arbeit, bekommt ein kleines Trinkgeld oder eine Flasche Wein zu Weihnachten in die Hand gedrückt. "Früher ist das öfter vorgekommen, aber heute haben die Leute selber kaum Geld", sagt er. Allerdings müsse er sich andererseits oft auch Frechheiten der Anwohner anhören.

Die Arbeit erinnert ein wenig an die von Sisyphos: "Wir kommen jedes Wochenende und jedes Mal ist wieder alles verdreckt", sagt er.

Deshalb zieht Borgenz andere Tätigkeiten vor. Viel lieber zieht der Garten- und Landschaftspfleger etwa beim Rasenmähen auf einem Trecker seine Bahnen. "Da hat man Zeit zum Träumen", sagt er, steigt in seine "Müllkutsche" und fährt zur nächsten Station.

Was er an seinem Job liebt, ist die Abwechslung. Hecken schneiden, Bäume fällen, Pflastersteine verlegen oder Zäune setzen gehören dazu, sei es für Genossenschaften, für die Stadt oder für Privatleute. Doch seine Arbeit hat auch Schattenseiten.

Ungern erinnert er sich an eine Wohnungsentrümpelung, mit der seine Firma beauftragt war. Dort hatten sie die Leiche einer alten Frau gefunden, die bereits seit mehr als 14 Tagen tot gewesen war. "Es hat bestialisch gestunken, alles war voller Maden, wir mussten den gesamten Boden rausreißen", erinnert er sich schaudernd.

Die Seniorin galt als vereinsamt und verarmt. Umso größer war die Überraschung, als beim Aufräumen ein Sparbuch mit 240 000 Euro Guthaben entdeckt wurde. Solche Einsätze in Wohnungen und Häusern sind für ihn das Schlimmste, was er sich vorstellen kann. "Oft entrümpeln wir bei Messis", berichtet der passionierte Angler.

Einfach seien aber auch die Winterdienste nicht: "Da müssen wir morgens um drei raus und Schnee räumen, auf Parkplätzen und Zufahrten von Einkaufscentern oder Genossenschaftswohnungen", erzählt er und macht Schluss für heute. Jetzt fährt er die "Tageseinnahmen" zum Bauhof und anschließend nach Hause: "Etwas essen, dann ausruhen und morgen geht ´s von vorne los."

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