Weihnachten in Siegburg "Dat Chresskind hät en Pläät"

SIEGBURG · In der Diskussionsreihe, die der GA unter dem Motto "So hab ich´s gesehen" in diesem Jahr startete, haben Gert Schneider (83), Werner Viedebantt (70), Harald Becker (65) und Ruth Kühn (76) ihre Erlebnisse in der Kriegs- und Nachkriegszeit beziehungsweise die Siegburger Jugendszene der 60er und 70er Jahre geschildert. Jetzt erinnern sie sich daran, wie sie das Weihnachtsfest als Kinder erlebten.

 Siegburg funkelt 1997 weihnachtlich: Blick auf Kaiserstraße und Michaelsberg.

Siegburg funkelt 1997 weihnachtlich: Blick auf Kaiserstraße und Michaelsberg.

Foto: Holger Arndt

Ruth Kühn: "Als Kind konnte ich es kaum abwarten, alles war so geheimnisvoll. Es ging immer um das Fest, weniger um Geschenke. Jeder freute sich darüber, mit der Familie feiern zu können. Das Wohnzimmer, wo der Tannenbaum stand, wurde gestocht, denn eine Heizung gab es noch nicht. Vor der Bescherung wurde immer gesungen. Ich erinnere mich daran, dass ich etwa mit 13 Jahren eine Zipfelmütze und Handschuhe bekommen habe.

Ich war stolz wie Oskar. Und der bunte Teller ist natürlich ebenfalls unvergessen. Nach dem Krieg lag eine dicke Apfelsine darauf, das war etwas ganz Besonderes. Meine Mutter konnte toll kochen, wir genossen das gute Essen. Aber auch die Wärme, Geborgenheit und Freude, die die ganze Familie empfand. Damals kannten wir noch nicht die Hektik und den Stress an Weihnachten, wie sie heute zum Teil herrschen. Wunderschön war auch der Weg durch die dunklen Straßen zur Christmette, auf dem man jeden begrüßte und von jedem begrüßt wurde. Alle wünschten allen frohe Weihnachten."

Werner Viedebantt: "Mein Vater kam grundsätzlich auf den letzten Drücker zum Heiligabend. Woher weiß ich nicht. Den Baum schmückte grundsätzlich meine Mutter. Vor der Bescherung ging ich meist mit einem Nachbarsjungen am alten Kreishaus rodeln. Weihnachten war ein beliebter Anlass, mit der Familie einschließlich Großeltern zusammen zu sein. Direkt nach dem Krieg waren auch noch Onkel, Tante und Cousine zu Gast, denn die wohnten bei uns, weil ihr Haus ausgebombt war. Meine Mutter sagte vor der Bescherung immer: 'Ich glaube, das Christkind kommt', und wenn ein Glöckchen läutete: 'Ich glaube, das Christkind ist da.' Viel später erst haben wir Kinder herausgefunden, dass sie selbst an einer dünnen Schnur das Glöckchen von der Küche aus zum Bimmeln brachte.

Es wurde gesungen, dann durften Geschenke ausgepackt werden. Einmal schenkte mir mein Vater einen selbst gebastelten Lastwagen aus Holz, eine Miniaturausgabe des Fahrzeugs, das er beruflich fuhr. Das war nicht zu toppen. Jeder hatte einen bunten Teller mit Nüssen, Printen und einer Apfelsine, später lag sogar Marzipan darauf. Und jedes Jahr gab es Hasenpfeffer, von meiner Mutter zubereitet. Das war selbstverständlich Karnickel. Um Punkt 12 Uhr bekam ich alleine noch eine Kleinigkeit. Denn da hatte ich Geburtstag."

Harald Becker: "Den Heiligabend habe ich immer mit meinen Eltern alleine gefeiert, ganz spät kam noch mein Onkel aus Köln dazu, der dort eine Kneipe und auch an Weihnachten geöffnet hatte. Als ich Jugendlicher war, gab es immer Hemd, Schlips und Bargeld von ihm. Jedes Jahr forderte meine Mutter meinen Vater vergeblich auf: Hans, spiel doch mal ein Weihnachtslied. Obwohl er Musiker war, weigerte er sich, die Lieder auf dem Klavier zu spielen. Er legte lieber eine Schallplatte auf. Jedes Jahr gab's unter anderem Selleriesalat, den kann ich bis heute nicht ausstehen. Umso mehr habe ich mich über die selbst gebastelten Geschenke gefreut. Einmal war es ein Flughafen mit Leuchtbirnchen, ein anderes Mal ein Blockhaus aus Holz, um damit Indianer und Cowboy zu spielen. Am ersten Weihnachtstag besuchten wir die Messe, dann war Bescherung bei der Oma. In der Küche saßen die beiden Großväter und qualmten dicke Zigarren."

Gert Schneider: "Einige Tage vor Weihnachten wurde immer ein Zimmer abgesperrt, in dem die Bescherung stattfand. Dort schmückte - wie wir Kinder erst später erfuhren - immer mein Onkel Hermann den Baum und baute eine riesige Felsenkrippe auf. Einmal spinxte ich durch einen Schlitz und sah ihn bei der Arbeit. Zu meiner Schwester habe ich gesagt: 'Dat Chresskind hät en Pläät.' Bescherung war immer am ersten Weihnachtstag, weil meine Eltern ja das Geschäft an Heiligabend lange offen hatten.

Weihnachten wurde nach all der Hektik ganz in Ruhe verbracht, an beiden Tagen stand der Kirchgang auf dem Programm. Mittags gab es ein gutes Essen, die Geschenke waren allerdings eher spartanisch. Ein Glöckchen kündigte die Bescherung an. Besonders gefreut habe ich mich natürlich über eine elektrische Eisenbahn. Mein Vater besaß eine Plattenkamera. Der Blitz wurde mit Pulver und einem lauten Puff gezündet."

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