Treffpunkt in Menden Türkische Sozialarbeiter informieren sich über "Streetwork" in Sankt Augustin

SANKT AUGUSTIN · Was die Stadt Sankt Augustin in der Jugendarbeit - insbesondere mit Blick auf Straßenkinder - möglich macht, stand am Dienstag im Fokus.

 Die türkische Delegation mit städtischen Vertretern um Bürgermeister Klaus Schumacher (7.v.l.) und Koordinatorin Sükran Yalcin (7.v.r.).

Die türkische Delegation mit städtischen Vertretern um Bürgermeister Klaus Schumacher (7.v.l.) und Koordinatorin Sükran Yalcin (7.v.r.).

Foto: Holger Arndt

Als eine türkische Delegation sich am Dienstag ein Bild von der Jugendarbeit der Stadt Sankt Augustin machte, sorgte Bürgermeister Klaus Schumacher für den ersten Lacher. Im Jugendzentrum Matchboxx sagte Schumacher: "Ich habe hier vor 35 Jahren als Praktikant in der Sozialarbeit angefangen, jetzt bin ich Bürgermeister: Sie sehen, in Sankt Augustin ist alles möglich."

Was die Stadt in der Jugendarbeit - insbesondere mit Blick auf Straßenkinder - möglich macht, stand am Dienstag im Fokus. Seit 20 Jahren gibt es ein Abkommen zum deutsch-türkischen Jugendaustausch und einen Fachausschuss, der Schwerpunkte festlegt.

Dieses Jahr etwa tauschen sich die Fachkräfte zum Thema Streetwork aus. Deshalb sind neun Jugend- und Sozialarbeiter aus der Türkei derzeit in Deutschland unterwegs und schauen sich an, wie hierzulande Straßenarbeit umgesetzt wird. Ein Blick über den Tellerrand sozusagen.

Gestern waren sie nun in Sankt Augustin und trafen sich zunächst in der Matchboxx mit städtischen Fachkräften. Dabei wurde schnell klar, dass der Begriff Straßenkinder in beiden Ländern durchaus unterschiedlich verstanden wird. So sagte Andreas Kernenbach, Geschäftsführer des Vereins zur Förderung der städtischen Jugendeinrichtungen: "Straßenkinder in dem Sinne gibt es bei uns in Sankt Augustin eigentlich nicht. Aber wir haben Jugendliche, die Alkohol und Drogen konsumieren, und sich ihre Plätze suchen, wo sie das machen."

In der Türkei hingegen, so Sükran Yalcin, Vertreterin des türkischen Jugend- und Sportministeriums und Koordinatorin der Gruppe, seien die klassischen Straßenkinder durchaus bekannt. Der eigentliche Grund des Besuchs war aber die Jugendschutzhütte auf der Mirz in Menden.

In dem Stadtteil hatte es in den 1990er Jahren und danach Probleme mit Spätaussiedler-Jugendlichen aus Sibirien und Kasachstan gegeben, erzählte Kernenbach. Unter anderem zerstörten sie Fenster am Schulzentrum Menden, der Schaden betrug 50 000 Euro.

Deshalb bauten die Jugendlichen sich mit Landesmitteln vor sieben Jahren selbst die Schutzhütte. Dort finden sie seitdem einen Raum, "von dem sie nicht verjagt werden können", so Kernenbach. Bei der Besichtigung sagte er: "Hier kommt keine Polizei und kein Ordnungsamt vorbei. Die Jugendlichen sind für sich." Unter anderem deshalb bezeichnen die Jugendlichen die Hütte auch als Jugendschutzgebiet. Die Experten aus der Türkei schauten sich die Hütte im Detail an, stellten viele Fragen. Yalcin sagte: "So ein Projekt könnte auch bei uns in der Türkei funktionieren."

In Sankt Augustin kostet das Projekt für die Straßenarbeit laut Streetworkerin Jessica Linden pro Jahr rund 15 000 Euro. 40 Prozent der Arbeitszeit entfallen auf Büroarbeit, 60 Prozent auf die Aktionen vor Ort - unter anderem mit einem Streetwork-Mobil. "Wir möchten eine Anlaufstelle für Jugendliche bieten, die in alle Stadtteile kommt", sagte Linden.

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