Müntefering in Sankt Augustin "Müssen uns dem Wandel stellen"

RHEIN-SIEG-KREIS · Alternde Bevölkerung, hohe Pflegekosten, sinkende Kaufkraft, schwindende Infrastruktur, fallende Immobilienpreise: Der demografische Wandel wird im Rhein-Sieg-Kreis vor allem ländliche Gebiete treffen. Das wurde beim Fachtag des Vereins Kivi e.V. in der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin deutlich.

Dort diskutierten Experten unter dem Motto "Vital älter werden", wie beispielsweise Versorgung und Wohnqualität auf dem Land gefördert werden können. Gastredner war Franz Müntefering. Der frühere Vizekanzler ist heute ein gefragter Ansprechpartner, wenn es um den demografischen Wandel geht.

"Die Städte und Kreise müssen sich darüber Gedanken machen, wie sie ihre Sozialräume organisieren. Sie müssen prüfen, ob das Angebot stimmt - für Junge wie für Alte", sagte Müntefering in einem Interview mit dem General-Anzeiger. Er sprach beim Fachtag über Chancen und Risiken des demografischen Wandels. Dass die Menschen bei relativ guter Gesundheit länger leben und zugleich weniger Kinder nachkommen, treffe auch auf den Rhein-Sieg-Kreis zu, sagte Müntefering. Allerdings bleibe die Einwohnerzahl bis zum Jahr 2030 konstant, während andere Städte und Kreise mit deutlichen Verlusten rechnen müssten.

"Diese Stabilität bietet ihnen eine gute Grundlage", sagte Müntefering. Allerdings gebe es in manchen Gegenden jetzt schon Handlungsbedarf, ergänzte der Kivi-Vorsitzende Hermann Allroggen, der zugleich Sozialdezernent des Kreises ist. Vor allem im östlichen Kreisgebiet, wo heute 82.000 Menschen leben, wird bis 2030 ein Bevölkerungsrückgang erwartet. In Kommunen wie Windeck und Eitorf, aber auch im ländlichen Teil von Hennef, geht schleichend Infrastruktur verloren, was wiederum die Abwanderung jüngerer Bürger in die Zentren verstärken kann - und damit den Trend zur Überalterung.

Der Anteil der 65- bis 79-Jährigen an der Gesamtbevölkerung steigt laut IT.NRW bis 2030 in Windeck um 33 Prozent, in Eitorf um 39 Prozent, in Hennef gar um 56 Prozent. In Hennef und Eitorf wird sich die Zahl der über 80-Jährigen sogar verdoppeln. Damit würden Probleme wie sinkende Kaufkraft, Verlust an Wohnqualität und steigende Sozialkosten einhergehen, sagte Allroggen. "Wir können das nicht ignorieren. Es reicht nicht, an irgendeinem Schräubchen zu drehen, um diesem Trend entgegenzuwirken."

Ein Anfang soll das Projekt "Mitten im Leben" sein, mit dem sich der Kivi e.V. der Situation älterer Menschen in Hennef, Eitorf und Windeck widmet. "Wir müssen uns im Kreis der demografischen Entwicklung stellen und dafür sorgen, dass die Lebensqualität im ländlichen Raum erhalten bleibt", so Landrat Sebastian Schuster beim Fachtag, bei dem neben Müntefering auch Jutta Spoddig (Diakonie an Rhein und Sieg) und Erika Neubauer (Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen) sprachen.

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