Podiumsdiskussion in Sankt Augustin Digitale Gesellschaft - Ein Abend, an dem die alte und die neue Welt aufeinandertrafen

SANKT AUGUSTIN · Eine Podiumsdiskussion in der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ging am Donnerstagabend der Frage nach, wie digital unsere Gesellschaft geworden ist und was das für jeden von uns bedeutet.

 Die digitale Welt im Fokus hatten in Sankt Augustin (von links) Isabell Lisberg-Haag, Falk Lüke, Markus Beckedahl, Mandy Rohs, Dirk Kurbjuweit und Hartmut Ihne.

Die digitale Welt im Fokus hatten in Sankt Augustin (von links) Isabell Lisberg-Haag, Falk Lüke, Markus Beckedahl, Mandy Rohs, Dirk Kurbjuweit und Hartmut Ihne.

Foto: Holger Arndt

"Shitstorms, Likes und die Macht der Suchmaschinen - wie digital leben wir?" war der Titel der Gesprächsrunde in der Reihe "Zu Gast auf dem Sofa". Es diskutierten die Netzaktivisten und Buchautoren Markus Beckedahl und Falk Lüke, der Spiegel-Journalist Dirk Kurbjuweit, die Bildungswissenschaftlerin Mandy Rohs und Hochschulpräsident Hartmut Ihne.

Dabei wurde auch deutlich, wie weit sich die Lebenswirklichkeit der Generation Internet von ihrem analogen Gegenstück entfernt hat - und das manche Entwicklung im Internet gar nicht so neu ist.

Am Anfang waren sich alle einig und teilten die Einsicht, dass das Internet das Publizieren und Konsumieren von Text, Bild und Ton maßgeblich verändert hat.

"Wir haben die Situation, dass wir dank unseres Handys eine Druckerpresse und ein Fernsehstudio in der Hosentasche mit uns tragen", fasste Beckedahl die neuen Möglichkeiten zusammen. Während früher Journalisten die Hohen Priester des Publizierens gewesen seien, würde dieses Mittel heute jedem zur Verfügung stehen.

Doch bei der Frage nach der Verantwortung gingen die Meinungen auseinander. Die Netzaktivisten Beckedahl und Lüke haben das Buch "Die digitale Gesellschaft" veröffentlicht, das sich mit Netzpolitik und Bürgerrechten befasst.

Gemeinsam traten sie für das Recht ein, im Internet anonym zu publizieren. "Anonymität ist eine Grundvoraussetzung im Netz", fasste Lüke den Standpunkt zusammen. Sie plädierten dafür, dass auch künftig Kommentare im Internet ohne Nennung eines Echtnamens möglich sind.

Dem widersprach der Dirk Kurbjuweit. Voraussetzung für einen guten Diskurs sei, dass jeder mit seinem Namen dafür einsteht: "Wie kann man Verantwortung übernehmen, wenn man sein Gesicht verbirgt?"

Viele Politiker würden sich heute davor fürchten, durch einen Shitstorm (Sturm der Entrüstung) im Internet an den Pranger gestellt zu werden. Mandy Rohs trat dafür ein, dass Internetnutzer an Schulen und Hochschulen für das Thema Verantwortung sensibilisiert werden.

Auch beim Thema Datenschutz waren sich die Teilnehmer uneins. Während Beckedahl und Lüke den Staat für die Vorratsdatenspeicherung kritisierten, bemängelte Kurbjuweit das undurchsichtige Sammeln von Daten von Unternehmen wie Google und Facebook. "Warum vertrauen Sie denen mehr als dem Staat?", fragte er die Netzaktivisten.

"Weil sie bei Google und Facebook die Wahl haben, es zu nutzen oder nicht", entgegnete Beckedahl. Doch auch er und Falk warnten vor zu sorglosem Umgang mit persönlichen Daten: "Leider weiß niemand, was auf Facebook und Google mit unseren Daten passiert."

Einen sozialgeschichtlichen Standpunkt nahm Hartmut Ihne ein. Wie alle Gesellschaften müsse sich auch die Netzgesellschaft zivilisieren. "Das Internet ist ja noch ein Kind", sagte er. Er wies darauf hin, dass unsere Gesellschaft im Mittelalter noch den Pranger und die Schandmaske kannte, sich im antiken Athen dagegen ein offener Diskurs etabliert hatte. "Auch diese Gesellschaften haben Zeit gebraucht, sich zu zivilisieren."

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