Gratisstunden für Kriegsflüchtlinge Die Sprache des Sports verbindet

RHEINBACH · Ihre braunen Mandelaugen strahlen. Sarahs (alle Namen geändert) brauner, mächtiger Lockenkopf ist irgendwie mit einem Haarband gebändigt. "Ich kann schon auf der Spitze tanzen", sagt die Sechsjährige in ihrem pinkfarbenen Balletttrikot und dreht sich auf der Spitze ihres linken Fußes, dass einem bereits vom Zusehen schwindelig wird.

 Schon viel erlebt in ihrem jungen Leben hat die sechsjährige Sarah aus Syrien (3.von rechts).

Schon viel erlebt in ihrem jungen Leben hat die sechsjährige Sarah aus Syrien (3.von rechts).

Foto: Roland Kohls

"Ein fröhliches Kind", sagt Angela Bargel, Ballettpädagogin, Choreographin und Leiterin der Ballettabteilung des Rheinbacher Turnvereins (RTV) 1905. Unter all den ausgelassen tanzenden Mädchen fällt Sarah nur durch ihre besondere Quirligkeit und ihr mitreißendes Dauerlächeln auf. Wer sie sieht, käme nicht auf die Idee, dass die junge Kurdin aus dem syrischen Aleppo geflohen ist. Wie derzeit elf weiteren Flüchtlingen ermöglicht der RTV Sarah kostenlos am Sportangebot des Sportvereins teilzunehmen.

Zu Fuß aus Syrien geflüchtet

"Ich habe schon so viel von der Welt gesehen", sagt die Sechsjährige in nahezu akzentfreiem Deutsch und lacht über das ganze Gesicht. "Grüne Berge mit Gras", berichtet sie. "Das hat Spaß gemacht." Vor einem Jahr trat sie eine Reise an, die nicht viele Kinder ihres Alters erlebt haben: Sie floh mit ihrer Familie aus der seit Sommer 2012 heftig umkämpften Stadt im Norden Syriens. Weite Teile der seit dem 19. Jahrhundert vor Christus bekannten Zwei-Millionen-Metropole sind zerstört, und ein großer Teil der Bewohner ist geflüchtet. Die kurdische Familie entkam dem Bürgerkrieg: Von Syrien ging es zu Fuß in die Türkei, berichtet Sarahs Mutter Fatime. Dort schlugen sie sich irgendwie bis nach Istanbul durch. Alleine flog ihre damals fünfjährige Tochter nach Deutschland, wohnte bei der in Rheinbach lebenden Tante. Vor neun Monaten konnte Mutter Fatime nachkommen, seit einem Monat ist auch Papa Mehmet da.

"Die Tante lebt schon seit 15 Jahren in Rheinbach und spricht perfekt deutsch", sagt Uschi Schardt. Die Rheinbacherin ist nicht nur die Vermieterin der Familie, sie kümmert sich auch rührend um die Flüchtlinge, hilft bei Behördengängen, dolmetscht so gut sie kann. "Sie sollen sich nicht alleine fühlen - in einem für sie fremden Land", findet Schardt.

"Die Menschen werden bleiben, wenn sie anfangen, sich wohl zu fühlen", meint Dieter Huth, Vorsitzender des RTV, dem laut Huth mit rund 1500 Mitgliedern größten Sportverein im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis. Als der Vereinschef, der auch Vorsitzender der UWG-Ratsfraktion ist, im Rheinbacher Stadtparlament von der zunehmenden Zahl an Flüchtlingen hörte, die auf die Kommunen verteilt werden, kam er ins Grübeln. Zusammen mit der Flüchtlingshilfe Rheinbach organisiert der Turnverein, dass sich die Asylsuchenden über die Sportmöglichkeiten des RTV informieren können. "Im Vordergrund steht, sie über den gemeinsamen Sport mit Rheinbachern ihrer Altersgruppe zusammenzubringen und so die Gelegenheit für gemeinsame Erlebnisse zu eröffnen", berichtet Huth. Die Sprache des Sports verbindet eben. Einen Vereinsbeitrag für Sarah erhebt der RTV nicht. Die Zusatzkosten für die Ballettstunden teilen sich zwei Menschen aus Rheinbach und die örtliche Flüchtlingshilfe.

Aktuell bis zu zwölf Frauen und Männer aus Krisengebieten nutzen seit dem Ende der Osterferien das neue Angebot des RTV - beispielsweise in der Gymnastikgruppe, beim Volleyball, beim Tischtennis, in der Leichtathletik und beim Ballett - wie Sarah. Bei derzeit rund 160 Flüchtlingen in Rheinbach sei dies eine ganz gute Resonanz, die dem gesellschaftlichen Durchschnitt entspricht, meint Huth. "Wir wollen ein gesellschaftliches Miteinander erzeugen", sagt der Vereinschef.

Dass das bei der sechsjährigen Sarah bereits bestens nach wenigen Wochen gelungen ist, zeigt, mit welchem Enthusiasmus sie die Ballettübungen mitmacht, die Pädagogin Angela Bargel vormacht. Die kleine Elevin hebt grazil beide Arme in die Höhe und präsentiert zusammen mit den anderen Kindern das Gelernte als stünde bald ein großer Auftritt an. Nach dem Sommerferien besucht sie eine Rheinbacher Grundschule, berichtet Uschi Schardt. In die Schule? "Jaaaa", sagt Sarah auf Nachfrage. "Ich habe ja schon zwei Wackelzähne."

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