Interview mit Stephan Vehreschild "Die Leute sollen sich wohlfühlen"

NIEDERKASSEL · Niederkassels Bürgermeister Stephan Vehreschild dürfte das Jahr 2014 sicher in angenehmer Erinnerung behalten. Nicht nur, dass sein erstes Enkelkind zur Welt kam. Er krönte auch bei der Kommunalwahl im Mai seine erste Amtszeit als Bürgermeister mit einem fulminanten Wahlergebnis von mehr als 65 Prozent im ersten Wahlgang und wurde somit für sechs weitere Jahre gewählt.

Ein Wermutstropfen: Auch die Stadt Niederkassel steht vor einer schwierigen Haushaltssituation. Wie Vehreschild das neue Jahr sieht, darüber sprach mit ihm GA-Mitarbeiterin Martina Welt.

Die Wähler haben Ihre Arbeit im vergangenen Jahr mit einem sehr guten Wahlergebnis honoriert. Gibt es dennoch etwas, was Sie rückblickend vielleicht anders gemacht hätten?

Stephan Vehreschild: Man lernt im Laufe der Jahre. Ich bin bemüht, alle mitzunehmen, und glaube, das könnte man noch intensiver gestalten. Oft meint man, alles sei klar, aber im Nachgang wären vielleicht ein zweites Gespräch oder eine vertiefende Erörterung nötig gewesen.

Sie haben im Dezember - quasi als letzte große öffentliche Amtshandlung im alten Jahr - den Haushalt eingebracht. Damit ist ein tiefer Griff in die Taschen der Niederkasseler verbunden. Wie wollen Sie den Bürgern erklären, dass die Grundsteuer B um mehr als 30 Prozent steigen soll?

Vehreschild: Die Erklärung haben wir ja schon deutlich bei der Änderung der Hebesatzsatzung und der Haushaltseinbringung gegeben. Wir sind einfach nicht mehr in der Lage, mit den bei uns zu erzielenden Einnahmen Pflichtaufgaben zu erfüllen. Wir übernehmen gerne die vielen Aufgaben, aber dann muss man auch die finanzielle Ausstattung haben. Bei der Überlegung, wie man das finanziert, gibt es nicht allzu viele Möglichkeiten. Die Grundsteuer B ist eine der sozialsten Möglichkeiten. Jeder wird entsprechend seiner persönlichen Vermögensvita beteiligt. Dass das insgesamt nicht befriedigend ist - da bin ich bei jedem einzelnen Bürger.

Auch die Elternbeiträge zu den Kitas sollen um zehn Prozent steigen ...

Vehreschild: Über den Vorschlag muss der Rat noch beschließen. Hier sind diejenigen, die die Kosten verursachen, betroffen: die Nutzer der Kitas. Auch sie müssen natürlich ihren Teil zu der Haushaltskonsolidierung beitragen. Wir gehen ja bei Weitem nicht auf eine kostendeckende Beitragserhöhung, sondern nur auf eine anteilige.

Warum gilt ein Haushaltssicherungskonzept als Schreckgespenst? Es gibt ja auch Kommunen, die sich damit recht gut eingerichtet haben.

Vehreschild: Ein Haushaltssicherungskonzept ist ein sehr starkes Hemmnis. Die Stadt müsste die Kommunalaufsicht bei sämtlichen freiwilligen Leistungen befragen, die sie ihren Bürgern bietet. Es gibt strenge Vorgaben wie zum Beispiel bei Renovierungs- oder Erweiterungsarbeiten in Schulen, Kitas oder der Verwaltung. Die Kommunen in der Haushaltssicherung haben einen erheblichen Investitionsrückstand, der sie später dann wieder einholt. Wir dagegen versuchen, die Wertverluste des städtischen Bestandes durch Investitionen wieder auszugleichen. Das ist für uns ein sehr wichtiger Faktor, denn ich will nicht in 20 Jahren alle Straßen oder Kanäle sanieren müssen, sondern tue das sukzessive und halte sie so instand. Diese Philosophie wird erfreulicherweise im Rat einhellig unterstützt.

Zum größten Posten im Haushalt: dem Personalhaushalt. Wäre es möglich, dass Sie über kurz oder lang auch in Ihrer Verwaltung abspecken müssen? Sei es durch Nichtnachbesetzung offener Stellen oder durch Umstrukturierung?

Vehreschild: Das machen wir schon. Wir haben Stellen abgebaut oder später besetzt. Wir mussten im Bereich der Kitas aufstocken. Mittlerweile gibt es dort doppelt so viel Personal wie vor fünf Jahren, und das muss natürlich auch in den Fachbereichen der Verwaltung mit einem Stellenzuwachs aufgefangen werden. Außerdem haben wir beim Ordnungsamt nachbesetzt - wegen des Brandschutzes. Für den Bereich Grünflächen haben wir Teilzeitkräfte vorgesehen, um das sehr emotionale Thema Friedhofspflege besser in den Griff zu bekommen.

Sie sind für sechs Jahre wiedergewählt worden. Wohin geht der Zug für Niederkassel?

Vehreschild: Die Stadt entwickelt sich recht gut. Sowohl was die Kitas als auch was die Schullandschaft anbelangt. Auch beim Thema Inklusion in den Schulen wird es zu Verbesserungen kommen. Der Ortskern in Niederkassel entwickelt sich, das Gewerbegebiet in Ranzel wird weiterentwickelt, und in Rheidt wird Möbel Hausmann abgerissen (dort entsteht ein neues Wohngebiet, Anm. d. Red.). Es tut sich an sehr vielen Stellen in der Stadt etwas.

Was ist das übergeordnete Ziel aller Veränderungen?

Vehreschild: Es ist mir wichtig, dass sich die Leute wohlfühlen. Ich glaube, der Niederkasseler identifiziert sich mit der Stadt. Daran müssen wir arbeiten. Natürlich hätten wir gerne eine Veranstaltungshalle. Aber ich denke, angesichts der Haushaltslage ist das Thema aktuell nicht umsetzbar. Dennoch dürfen wir es nicht aus dem Blick verlieren.

Wie wichtig ist Ihnen, dass die Realschule trotz der neuen Gesamtschule erhalten bleibt?

Vehreschild: Für mich ist das fast schon eine Selbstverständlichkeit. Dann hätte ich die Bildungsvielfalt, die ich mir wünsche. Die Entscheidung liegt natürlich bei den Eltern, die ihre Kinder anmelden.

Was wünschen Sie sich besonders für 2015?

Vehreschild: Vor allem Gesundheit; das ist das Wichtigste, was wir haben. Und ein Quäntchen Glück braucht man dann auch noch.

Zur Person

Stephan Vehreschild (56) wurde in Kleve am Niederrhein geboren. Seit 1988 lebt er in Ranzel. Gelernt hat Vehreschild zunächst das Tischlerhandwerk; dort hat er seinen Meister gemacht und dann als Sicherheitsingenieur bei der Berufsgenossenschaft Holz in Köln gearbeitet. Seit 1995 ist er Mitglied in der CDU. 2009 bewarb er sich für die Christdemokraten erstmals um das Amt des Bürgermeisters und wurde aus dem Stand im ersten Wahlgang gewählt. Vehreschild ist seit fast 32 Jahren mit seiner Frau Hildegard verheiratet, hat zwei Töchter, einen Sohn und einen Enkel.

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