Prozess nach Missbrauch in Lohmar Psychiatrische Gutachterin hält Onkel für gemeingefährlich

BONN/LOHMAR · Im Prozess vor dem Bonner Landgericht gegen den 53-Jährigen aus Lohmar, der am 6. April seine sechsjährige Nichte mit K.-o.-Tropfen betäubt, missbraucht und damit getötet haben soll, wurde am Montag eine psychiatrische Gutachterin gehört. Sie bejaht die Sicherungsverwahrung für den Onkel.

54 lange Minuten hat der Mann auf der Anklagebank am 6. April auf Video festgehalten, wie er seine mit K.o.-Tropfen narkotisierte sechsjährige Nichte missbraucht - und wie sie dabei stirbt. Am Freitag mussten sich die Prozessbeteiligten unter Ausschluss der Öffentlichkeit diesen Film und weitere Videos von früheren Missbrauchshandlungen an dem Kind und seiner vier Jahre älteren Schwester ansehen. Um diese 54 Minuten ging es auch gestern vor der Bonner Jugendschutzkammer, denn die Rechtsmedizinerin und die psychiatrische Sachverständige bezogen sich auch auf das, was aus diesem Film für sie hervorgeht.

"Als das Video startet, ist die Atmung des Kindes viel zu langsam", stellt Rechtsmedizinerin Elke Doberentz fest. Man sehe, dass das Kind viel zu wenig Luft bekomme, "der Zustand ist von Anfang an lebensgefährlich", sagt sie. Die Obduktion habe ergeben, dass die Dosis an K.o.-Tropfen, die das Kind bekommen habe, tödlich war.

Dabei kannte sich der Angeklagte nach eigenen Angaben mit der Dosierung genau aus. In der 12. Minute des Films habe erkennbar die Sterbephase des Kindes begonnen: Da habe das Kind keine Atmung mehr. In der 13. Minute habe er das auch erkannt und "ohne Hektik, die man erwarten würde", eingegriffen und Wiederbelebungsversuche unternommen. Anschließend missbrauchte er das Kind weiter. Laut Rechtsmedizinerin auch noch, als es bereits tot war, wie die Verletzungen bewiesen.

In der 42. Minute des Films, so stellt sich gestern heraus, sagte er zu dem sterbenden Kind: "Willst du jetzt hier sterben, oder was? Das finde ich jetzt nicht so gut." Zwei Mal ist dieser Satz laut Oberstaatsanwalt Robin Faßbender zu hören.

Die Rechtsmedizinerin hat die Haare beider Kinder untersucht und festgestellt: Die getötete jüngere Nichte hat das narkotisierende Mittel viel früher, viel häufiger und viel intensiver bekommen, als der Angeklagte zugibt. Und: Das Kind muss am Tattag massiver missbraucht worden sein, als auf dem Film zu sehen ist. Doch das bestreitet der Angeklagte nun erneut. Seine Lügen kennt auch die Mutter der Kinder.

Sie wird an diesem Tag als Zeugin gehört und erklärt: Nach ihren Besuchen beim Onkel hätten die Kinder über Schwindel geklagt, aber er habe immer plausible Erklärungen präsentiert. Jetzt im Rückblick sei einiges seltsam gewesen: plötzliches Einnässen, Erbrechen. Aber, so die alleinerziehende Mutter: Sie habe ihm vertraut, die Kinder hätten ihn gemocht. "Er war ihr Vaterersatz." Wie es ihrer älteren Tochter, die heute zwölf ist, gehe, will das Gericht wissen. "Sehr schlecht, sie ist schockiert", antwortet die Mutter. "Sie schläft schlecht und hat Angst." Vor allem vor älteren Männern, auch ihrem Vater.

Für die psychiatrische Gutachterin Anke Rohde steht fest: Der Angeklagte hat im Verfahren längst nicht alles gestanden. Sie ist mittlerweile sicher: Der 53-Jährige ist schuldfähig. Und: "Der Angeklagte hat einen Hang zu Pädophilie, er ist eine Gefahr für Kinder." Damit bejaht sie die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung.

Dass dieser Fall sich von anderen unterscheidet, erklärt auch der Kripobeamte, der die 48.599 beim Angeklagten entdeckten Kinderpornos ausgewertet hat. Seit zwölf Jahren bearbeite er solche Fälle. Aber, so sagt er: "Das stellt alles bisherige in den Schatten." Heute sollen Staatsanwalt und Verteidiger plädieren.

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