Realschule Oberpleis Schüler fuhren zu Stätten des Holocaust in Polen

OBERPLEIS · Auf den alten Koffern sind noch die Namen und Geburtsdaten zu entziffern: Hedwig Klement, 8.10.1898 oder Otto Israel Schönhof, 25.8.1870. Andere Fotos zeigen Schuhberge, Kleider oder Prothesen. Gegenstände, deren Besitzer im Konzentrationslager Auschwitz umgekommen sind.

Die Klasse 10d der Realschule Oberpleis unternahm im Februar eine Studienfahrt an diesen Schauplatz des Holocaust in Polen während des Nationalsozialismus. Jetzt eröffneten sie im Schulfoyer eine Dokumentation ihrer Reise mit Fotos, Texten und einer Power-Point-Präsentation. Dabei trugen sie im mit Kerzen geschmückten Raum Texte vor, in denen sie auf ihre Auseinandersetzung mit diesem dunklen Kapitel deutscher Geschichte eingingen.

Bürgermeister Peter Wirtz war beeindruckt und erinnerte sich an seine Klassenfahrt nach Dachau 1975. "Hinein gingen 35 lebenslustige Jugendliche, heraus kamen 35 total schockierte und nachdenkliche Schüler." Auch die Oberpleiser Zehntklässler redeten über ihre Gefühle. "Mich hat besonders beeindruckt, dass man in dem Stammlager I noch viele Sachen von früher sehen konnte wie Haare, Koffer, Schuhe und Kleidung von den Häftlingen", sagte etwa Jaqueline.

Philipp: "Man kann unsere Gedanken und Gefühle nicht in Worte fassen, da es sehr berührend ist, was dort vorgefallen ist, und man es selbst verarbeiten muss. Ich kann es nicht verstehen, wie Menschen so gefühlskalt sein können." Sven meinte: "Der Anblick von Block 10, dem Todesblock, war erschlagend. Innen, ein Ort, an dem Menschen unter schlimmsten Bedingungen gefoltert, erschlagen und gequält wurden. Der Höhepunkt war das Krematorium. Leichenhalle, Öfen, der Vorgang, wie Menschen verbrannt wurden, schrecklich!" Und Christina unterstrich: "Am meisten hat mich meine Sprachlosigkeit beeindruckt."

Bereits vor der fünftägigen Reise hatten sich die Schüler mit dem Thema auseinandergesetzt: im Geschichtsunterricht und beim Besuch der Gedenkstätte Landjuden an der Sieg in Windeck-Rosbach und des NS-Dokumentationszentrums in Köln. Mit Unterstützung der Stiftung "Erinnern ermöglichen" machten sich die Lehrerinnen Elisabeth Patt, Christa Schäfer-Roth und Thea Labadze mit den Zehntklässlern auf den Weg. Während der Reise las Selina einen Ausschnitt aus dem Buch "Spiel, Zirkuskind, spiel" von Sioma Zubicky vor, in dem er die Strapazen der Fahrt ins Konzentrationslager Auschwitz und die Ankunft dort beschrieb.

Und auch die Besucher der Vernissage konnten diese Passagen nachhören. Die Schüler besuchten Krakau, in dem die Nazis ein jüdisches Ghetto einrichteten, die "Vorhölle zur Ermordung in Auschwitz", sie besichtigten das ehemalige Stammlager Auschwitz I und Auschwitz II-Birkenau und erarbeiteten in Workshops in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Oswiecim/Auschwitz sowie in der Synagoge von Oswiecim das Thema. Im "Haus der Stille" formulierten sie schließlich ihre Gedanken nach diesen ereignisreichen Tagen, die in der Präsentation und auch in einer umfassenden Dokumentation zu finden sind.

Die Heimfahrt unterbrachen die Schüler in Kreisau, wo sie die Gedenkstätte Krzyzowa-Berghaus besuchten. Hier hatte sich in der NS-Zeit die Widerstandsgruppe "Kreisauer Kreis" getroffen. Klassenlehrerin Patt: "Ein versöhnlicher Abschluss." Die Schüler waren sich einig, dass sie die Erfahrungen dieser Fahrt nicht missen möchten. Julia: "Sie hat uns gezeigt, wie lebensverändernd Zivilcourage sein kann. Es wurde sehr deutlich, wie wichtig es ist, dass so etwas nie wieder passieren darf."

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