Wildtierstation "Retscheider Hof" Heimat für verwaiste und verletzte Tiere

SIEBENGEBIRGE · Das Schwanenpaar von der Insel Grafenwerth war schon mehrfach im "Retscheider Hof" - nach Verletzungen durch Hunde oder Angelhaken. Das Reh, das die Freiwillige Feuerwehr Selhof nachts aus einem Pool fischte, durfte sich ebenfalls bei Stefanie Huck und Nils Becker erholen.

 Nils Becker mit Mufflon "Muffel".

Nils Becker mit Mufflon "Muffel".

Foto: Oschmann

Denn: Sie geben in ihrer Wildtierstation verletzten und ausgesetzten Tieren vorübergehend Heimat und eine optimale Betreuung. Jetzt würdigte die FDP-Fraktion Königswinter den Einsatz des Ehepaares mit dem Umweltpreis. Außer Hofhund und -katzen bekamen die Liberalen aber nur noch Iltisfrettchen "Eliazar" und Mufflon "Muffel" zu Gesicht. Bis auf einige nachtaktive Iltisse sind alle anderen Schützlinge vor dem Winter bereits "ausgeflogen".

Aber süß war "Muffel", der den FDP-Besuch begrüßte und seine ständigen Begleiter - die Hausschafe Pipsi und Fipsi - deshalb für einige Zeit auf der Hofwiese allein ließ. Die Geschichte um das Mufflon begann im vergangenen November dramatisch. Damals wurden Mutter und Lamm durch eine Treibjagd bei Gießen getrennt.

Die Jäger brachten das empfindliche Wildschaf-Baby zum "Retscheider Hof". Es war vier Tage alt und hatte kaum Überlebenschancen. Stefanie Huck und Nils Becker bemühten sich, Gefährten für "Muffel" zu bekommen. Das klappte jedoch nicht. Und so wuchs das Tier im Haus auf.

Ein halbes Jahr lang bekam es die Flasche. Stubenrein war "Muffel" natürlich nicht. Aber irgendwann durfte er raus. Haushund "Jacko" war Ersatz-Papa, und dann schloss sich "Muffel" den Hausschafen an. Ein Auswildern, wie es normalerweise vorgesehen ist, war hier nicht möglich. "Muffel" bleibt ein "Retscheider".

Der "Retscheider Hof" ist eine der wenigen Auffangstationen in Deutschland. Hierher werden selbst aus Österreich und der Schweiz von Privatleuten, aber auch von Polizei und Feuerwehr aufgefundene Tiere gebracht. Tierpflegerin Stefanie Huck (47) und Rechtsanwalt Nils Becker (46) hatten den Hof 2009 erworben, um einen schönen Platz für ihre Pferde zu haben und ein privates Flora- und Fauna-Habitat zu schaffen.

Dann wurde es für beide zum großen Hobby, verletzte oder verwaiste Wildtiere zu retten. Ihr Engagement bedeutet auch, dass stets einer da sein muss, wenn das Telefon klingelt. So trifft es sich gut, dass Nils Becker seine Kanzlei ebenfalls auf dem Anwesen hat.

2014 gründeten die Eheleute einen Verein, um Interessierten zu ermöglichen, etwa als Fördermitglied, an der Sorge um die Wildtiere teilzuhaben. Sie arbeiten eng mit dem Tierschutz Siebengebirge zusammen. Auch die Verbindung zu anderen Auffangstationen ist intensiv - nach der Erstversorgung werden manche Tiere dann auch zu dortigen Spezialisten gebracht. Stefanie Huck hat ganz besonders Füchse, Steinmarder und Iltisse in ihrem Fokus. Auch wissenschaftlich ist die 47-Jährige tätig. "Im Sommer steppt hier der Bär."

Iltisse, Füchse, Dachse, Igel, Eichhörnchen, Siebenschläfer, auch viele Vögel werden wieder fit gemacht. Die Hauptlast liegt bei Stefanie Huck, wenn in der Saison an die 20 Flaschenkinder zu versorgen sind. "Da geht man am Krückstock. Aber von der Intensität der Pflege hängt die Überlebenschance ab." Das ist dann wie in einer menschlichen Kinderstube. Nils Becker kümmert sich hauptsächlich um das Einfangen gefährlicher Tiere, mit denen er dann während der Auswilderungsphase ins Gelände geht.

Becker: "Die hohe Kunst ist es, die Tiere wildbahnfähig zu machen. Hier erhalten sie ihre zweite Chance, manchmal auch die dritte." So kehrte ein Eichhörnchen wieder zurück. "Nach dem zweiten Auswildern war es endgültig weg." 30 Füchse waren im vergangenen Sommer im "Retscheider Hof", darunter auch einige vom Veterinäramt beschlagnahmte Wohnzimmer-Aufzuchten. "Wir haben sie in Gruppen sozialisiert und alle gut rausbekommen."

Auf dem Hof werden keine Wildtiere auf Dauer in Gehegen gehalten. Ein neues Thema ist die Wildkatze. Eine bei Meckenheim sehr schwerverletzte Katze hat es nach zwei Operationen und guter Pflege auf dem Hof geschafft. Ein Erfolg. In manchen Fällen geht es nicht. Becker: "Ein dreibeiniger Igel ist nicht auswilderbar. Unser Ziel ist es nicht, es besser zu machen als die Natur."

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