Rauschendorf Der Rauschendorfer Paias muss brennen

RAUSCHENDORF · Ach, der arme Paias! Der bedauernswerte Kirmeskerl musste wieder für alles herhalten. "Wer ist schuld, dass Deutschland Fußball-Weltmeister geworden ist?" - "Der Paias!" Und: "Wer ist schuld, dass der Platz der Generationen so schnell fertig wurde?" Natürlich der arme Paias.

Nur noch Asche war vom Rauschendorfer Paias am Ende übrig. Die Zuschauer hatten viel Spaß bei der Zeremonie.

Nur noch Asche war vom Rauschendorfer Paias am Ende übrig. Die Zuschauer hatten viel Spaß bei der Zeremonie.

Foto: Frank Homann

Er wird eben verantwortlich gemacht für alles, was in Rauschendorf und darüber hinaus passiert. Selbst schlechtes Wetter wurde ihm diesmal von den "Chefanklägern" vorgehalten. Wochenlang hatte dieser schmucke Kerl den Pfingstbaum bewohnt und nun, nach der Kirmes im Kirchspiel Stieldorf, hängten ihn die Mitglieder des Brauchtumsvereins ab und verbrannten ihn nach der feierlichen Prozession durch den Ort unter dem Motto: "De Paias witt begrawe!"

Gleich zwei Pfarrer schickten den Paias auf seine letzte Reise. Vereinsvorsitzender Udo Walterscheid mimte gekonnt den "Pastor in Rente mit Beratervertrag". An seiner Seite Stephan Müller (18) aus der Jugendgruppe des Brauchtumsvereins, der im vergangenen Jahr neu "geweiht" wurde und Walterscheids abgelegten Talar übernommen hatte, während der Chef nun im neuen Gewand mit kardinalsroten Streifen antrat. Immer wieder besprengten die Geistlichen den Paias, der auf einer Bahre durchs Dorf getragen wurde, und die Trauernden mit "Weihwasser". Als Aspergill diente ihnen eine Klobürste.

Verzweifeltes Wehklagen der Trauernden in Schwarz. "Er hat nichts getan!", kreischte René Lohmann, der mit Hut und im Kleid die Mutter des Kirmeskerls spielte, an "ihrer" Seite Steffen Germscheid als des Paias Vater. Aber der Trauerzug näherte sich langsam, aber unaufhaltsam dem Platz vor der alten Schule, wo diesmal die Verbrennung unter Beistand der Freiwilligen Feuerwehr stattfand und die Trauergesellschaft ihren "Leichenschmaus" abhielt.

Solch einen Sündenbock in Gestalt einer Strohpuppe machen die Dorfbewohner schon seit Jahrhunderten für alles Missgeschick verantwortlich. So ist es der Brauchtumsverein, der sich um den Erhalt dieser Tradition kümmert und in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen feiert. Diesmal hatten die Bestatter des Kirmeskerls sogar einen schmucken Sarg aus dem Karnevalszug zur Verfügung und mit rotem Samt ausgeschlagen. So edel wurde selten ein Paias zu Grabe getragen.

"Asche zu Asche, und Bier zu uns", rief "Pfarrer" Udo den "Wirten" am Ausschank zu. Auf dem Platz waren Tische und Bänke aufgestellt. Es gab Würstchen und Fleisch vom Grill sowie Getränke. Zur Unterhaltung trat zur Begräbnisfeier die Gruppe "Die Söhne Rauschendorfs" auf, die sich aus der Karnevalsgesellschaft Neues Rauschendorf um Vorsitzenden Udo Wichartz gegründet hat.

Außerdem gefiel die Band "Triple-x" aus Oberscheuren mit Sängerin Manja Neumeyer, Jochen und Gisela Fetsch sowie Jürgen Lortz. So trockneten die Tränen der Trauernden doch schneller als gedacht. Der Abschied vom Paias am Samstag nach Kirmes tat nicht mehr ganz so weh.

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