Vor 70 Jahren begann die letzte Phase der Gefechte um Aegidienberg Erbitterter Kampf um die "Festung"

AEGIDIENBERG · Bis zum letzten Mann, bis zur letzten Patrone: Heute vor 70 Jahren erhielt die Panzerbrigade 106 "Feldherrnhalle" den Auftrag, Aegidienberg bedingungslos zu halten.

 Die Autobahn als Lagerplatz der vorrückenden Amerikaner: Luftbild der A 3 bei Aegidienberg, im Hintergrund die Brücke Hövel-Brüngsberg, vorne Orscheid.

Die Autobahn als Lagerplatz der vorrückenden Amerikaner: Luftbild der A 3 bei Aegidienberg, im Hintergrund die Brücke Hövel-Brüngsberg, vorne Orscheid.

Foto: Virtuelles Brückenhofmuseum

Brigadekommandeur Heinrich Drewes wurde am 14. März 1945 zum Kampfkommandanten des Bereiches Aegidienberg ernannt. Hinter seinen Männern lagen harte Monate an den Brennpunkten des Krieges. Nun wurde Aegidienberg zur Festung erklärt.

Im Kloster Aegidienberg fand der Stab an jenem späten Mittwochabend eine Unterkunft. Am Donnerstag wurde der Keller der Schule Brigadegefechtsstand. Die Amerikaner standen westlich von Himberg und bereiteten sich auf ihren Angriff auf Aegidienberg und die Eroberung der Autobahn vor.

Der Freitag wurde zur Hölle. Was an diesem Tag passierte, sollte später eine amerikanische Militärzeitung mit der Überschrift "Die Schlacht um Aegidienberg" betiteln. Bereits morgens um 7 Uhr setzte am 16. März schweres amerikanisches Artilleriefeuer ein. Jagdbomber leisteten Unterstützung. Der Ort sollte sturmreif geschossen werden.

Die Aegidienberger hatten ja schon einiges mitgemacht, seitdem die Remagener Brücke von den Alliierten eingenommen worden war. Es gab erste Artillerieeinschläge. Die Bevölkerung verkroch sich in den Kellern. Die Exequien für einen gefallenen Soldaten am 10. März konnten wegen des Beschusses nicht stattfinden. Wie bei einem Erdbeben wurde an diesem Tag der Ort durchgerüttelt, als deutsche Einheiten Munitionslager im Wald bei Wülscheid und auf der Mußer Heide zur Explosion brachten. Im Pfarrhaus schlug eine Granate ein.

Der 16. März übertraf jedoch alles. Der Aegidiusplatz war in Rauch gehüllt. Das Pastorat wurde erneut schwer getroffen. Häuser und Scheunen standen in hellen Flammen. Die Gaststätten Giershausen und Kremerius brannten völlig und die Gaststätte Dahm zum Teil aus.

Vor der Metzgerei Witt stand damals ein Funkwagen. Dadurch wurde das Geschäftshaus von 16 Granaten und drei Bomben getroffen. Im Kloster Sankt Josef waren nicht nur große Gebäudeschäden, sondern vor allem auch elf Tote zu beklagen.

Hilferufe und das Stöhnen der Verwundeten mischten sich unter das Trommelfeuer. Die Feinde lieferten sich einen erbitterten Infanterie- und Panzerkampf in der Ortsmitte um Kirche und Friedhof.

Die Übermacht der Amerikaner betrug das Zehnfache. Gegen Mittag baten die Amerikaner um eine Stunde Waffenruhe, um ihre Verletzten zu bergen. Drewes schickte seinen Stabsarzt Nerbel zur ärztlichen Versorgung amerikanischer Soldaten. Er berichtete danach von mehr als 2000 Toten und Verwundeten auf der Feindseite.

Dass Aegidienberg nicht komplett dem Erdbeben gleichgemacht wurde, ist, der Überlieferung nach, drei Männern aus dem Ort zu verdanken. Das spätere SPD-Stadtratsmitglied Albert Weber, der gerade auf Fronturlaub war, beobachtete, wie amerikanische Panzer aus Richtung Hövel langsam und vorsichtig durch "die Ehl" Richtung Aegidiusplatz fuhren und ins Stocken gerieten.

Die Amerikaner riefen den jungen Deutschen an. Sie rechneten wohl mit erheblichem Widerstand im Ortskern und bereiteten für 16 Uhr ein Bombardement vor.

Weber gelang es, die US-Soldaten davon zu überzeugen, dass von einer Übermacht deutscher Landser nicht die Rede sein könne. Er informierte die Bürger und die letzten Deutschen Soldaten im Ort von der brisanten Situation.

Mit dem Landwirt Matthias Witt, Onkel des heutigen Senior-Chefs der Fleischerei Witt, Josef Witt, und dem späteren Kreissparkassenfilialleiter Peter Krämer erreichte er, dass das Bombardement abgeblasen wurde. Die drei Männer schwenkten weiße Betttücher auf dem Aegidiusplatz und signalisierten den amerikanischen Panzerfahrern, dass sie die Talstraße hochfahren könnten.

Am Karfreitag säuberten die Aegidienberger ihre Pfarrkirche, die vielen Dorfbewohnern als Asyl gedient hatte, und am Ostersonntag feierten sie ihr erstes Messopfer nach langer Zeit.

Kämpfe im Siebengebirge

Aegidienberg erlitt noch weitere schwere Schäden während des Rückzugs der Deutschen. Neben der Panzerbrigade 106, die als einzige Panzerbrigade bis zur Kapitulation als selbstständiger Verband kämpfte, waren auch noch Fallschirmjäger und SS-Leute in Aegidienberg aktiv.

Die Panzerbrigade 106 zählte vor dem Kampf um Bonn noch 60 Offiziere und 2500 Unteroffiziere und Soldaten. Etliche blieben dort. Die Waldkämpfe im Siebengebirge forderten einen noch höheren Blutzoll. In Aegidienberg brannte die Brigade aus.

Die letzten Panzer unterstützten am Tag darauf Infanteristen und Volkssturm in Brüngsberg. Heinrich Drewes begleitete seine Panzer zu Fuß. Vergeblich. Brüngsberg blieb in amerikanischer Hand.

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