Immer weniger Geschäfte in Selhof "Die Tür muss weit offen stehen"

SELHOF · Die Gaststätte Kaiser öffnet unter der Woche um 17 Uhr ihre Tür. Die ersten Selhofer nehmen am Tresen Platz, der Stammtisch kommt etwas später zusammen. Freitagabends ist die Schenke brechend voll. Es gibt sonst keine Kneipe mehr in Selhof.

 Wer einen trinken gehen möchte, geht in die Gaststätte Kaiser. Rechts am Tresen Stefan Wolf und Gabriele Herfurt.

Wer einen trinken gehen möchte, geht in die Gaststätte Kaiser. Rechts am Tresen Stefan Wolf und Gabriele Herfurt.

Foto: Frank Homann

Das war früher anders. Sechs Gaststätten hatten sie hier, drei Metzgereien, vier Bäckereien, Modegeschäfte, Schuhwaren, Krämerläden und Friseure. Der Orts- und Verschönerungsverein Bad Honnef-Selhof hat im vergangenen Jahr den fast 50-seitigen Sonderteil seiner Jubiläumsschrift dem Thema "Geschäfte op Selhof - früher und heute" gewidmet: Die meisten Händler sind verschwunden in den vergangenen Jahrzehnten, die vom Aufkommen der Discounter und großen Einkaufszentren bestimmt waren.

Die Volksbank Bonn/Rhein-Sieg hat kürzlich angekündigt, ihre Selhofer Filiale nur noch bis zum 24. August zu betreiben. Danach wird ein Selbstbedienungsterminal für Überweisungen oder Daueraufträge bleiben. Die beiden Mitarbeiter ziehen in die Bad Honnefer Filiale um.

Außerdem wird es, sagte Volksbanksprecher Willi Wester, nach Absprache mit Vereinen einen Bringservice für Senioren nach Hause für Bargeld geben. Darüber hinaus müssen die Selhofer künftig im Internet ihre Geldgeschäfte abwickeln oder die Bad Honnefer Filiale besuchen.

Volksbank-Vorstandsvorsitzender Jürgen Pütz begründete die Schließung von insgesamt vier Filialen in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis damit, dass Bankkunden kaum mehr den Schalter benutzen.

Das Volk verändert seine Gewohnheiten

Der Satz gilt auch für Selhof. Ist das nun gut oder schlecht? "Man darf nicht auf der Stelle treten", sagt Gabriele Herfurt bei Mineralwasser und Marillenschnaps in der Gaststätte Kaiser. Dem 1888 gegründeten Bürgerverein, dem sie vorsitzt, gehörten schon der Vater und der Großvater an.

450 Mitglieder hat er zurzeit. Als kaum einer mehr zur Kirmes rund um die schöne Selhofer Kapelle kam, hat der Verein beschlossen, einen Fackelzug aus der Taufe zu heben. Seitdem läuft es wieder. Wenn die Theatergruppe zum neuesten Stück in den Saal Kaiser hinter der Wirtschaft einlädt, sind die 200 Karten pro Vorstellung in Nullkommanix ausverkauft.

"Natürlich ist es nicht immer einfach, durch die Vereine aufzufangen, was an Leben durch die schließenden Geschäfte verloren geht, aber es funktioniert", sagt Gabriele Herfurt. Man müsse die Menschen teilhaben lassen und dürfe sich neuen Ideen nicht verschließen.

Interesse an den Menschen zeigen und sie einladen

Die Menschenfischerin macht das folgendermaßen. Sie geht auf die Selhofer, ob nun auf die Alteingesessenen oder die Neubürger, zu und sagt ihnen: "Ich will euch dabei haben." Die Person aus der Masse holen, heißt ihre Strategie. Bei den großen Veranstaltungen gibt es regelmäßig Neuanmeldungen.

Auf eine lange Tradition blickt auch der Orts- und Verschönerungsverein zurück. Stefan Wolf ist Vorsitzender. Auch hier: Schon der Großvater gehörte in den 1920er Jahren zu den Mitgründern. "So etwas erbt man." In der erwähnten Festschrift zeigen Bilder die zupackenden Selhofer mit Schippen und Schubkarren beim Bau der Eifelhütte oder der Neugestaltung des Ehrenmals.

"Das Zeichen der fleißigen Ameisen für Selhof passt, aber das hier ist kein einfacher Ortsteil", sagt Wolf. Veränderungen würden mit Skepsis betrachtet. Das fange manchmal schon mit dem Aufstellen einer einfachen Sitzbank an. Stefan Wolf muss da oft Überzeugungsarbeit leisten.

Für ihn sind die großen Themen der Zukunft die Verbindung der Vereine untereinander, die Integration von Flüchtlingen im Ortsteil und das Zusammenführen von Jung und Alt. "Die Tür", sagt Wolf, "muss weit aufstehen."

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