Kölner Konzerte The Hearing und Rhye im Gloria, Fink und Ben Howard im Kölner Palladium

Köln · Bella Hays Stimme schwebt durchs Gloria, dazu bewegt sie sich verträumt und anmutig. Ihr Partner Cris Kuhlen umtänzelt derweil jeden einzelnen Ton, den er seiner Elektronik-Konsole entlockt, als würde er ein handgemachtes Instrument in den Händen halten.

 Sprung in einen Traum: Rhye-Sänger Mike Milosh FOTO: THOMAS BRILL

Sprung in einen Traum: Rhye-Sänger Mike Milosh FOTO: THOMAS BRILL

Foto: Thomas Brill

Fast schüchtern bedankt sich die zarte Sängerin für den Beifall. Auf der ersten EP "Romance" klingt der Dream-Pop des Duos aus Den Haag noch intensiver als an diesem Abend. Man wünscht ihnen eine große Bühne, damit sie das Potenzial ihrer sphärischen Gefühlswanderung entfalten können.

Die 27-jährige Ringa Manner aus Helsinki nennt sich The Hearing. Ihre Stimme ist klarer als die von Bela Hay und ihr elektronischer Pop experimenteller, anspruchsvoller und in ihren besten Momenten für einen Soundtrack tauglich. Ringa bekämpft ihre Nervosität, indem sie ihre Stücke lange erklärt.

Am Ende des Sets huscht sie davon und schaut neugierig wie ein junges Mädchen hinter der Bühne, wie das Publikum auf ihren Auftritt reagiert.

Rhye sind der Höhepunkt des Abends. Das kündigt sich bereits optisch an. Die Bühne ist vollgestellt mit Geigen, Posaune, Keyboards, Hammond-Orgel, Schlagzeug und Gitarren. Das Instrumentarium lässt einen dichten, atmosphärischen Sound erwarten. Eine Erwartung, die sich bestätigen wird.

Bereits das instrumentale Intro entführt die Zuhörer in eine Traumlandschaft, in der das Zusammenspiel von Geige und Posaune das Publikum von Beginn an in den Bann zieht. Als wenig später Robin Hannibal und Sänger Mike Milosh unter großem Beifall die Bühne betreten, ist eines der Missverständnisse um Rhye geklärt. Die Stimme von Rhye gehört keiner Frau, sondern dem Kanadier Milosh, der mit seiner androgynen Stimme deutlich an Sade erinnert.

Was auf dem Debüt-Album "Woman" an gefällige Lounge-Musik erinnert, die man nach einer langen Nacht zur Erholung beim Brunch als dezente Hintergrundbeschallung genießen kann, ist mit Live-Band wie ein Sprung in einen Traum, der den Zuhörer in den Zustand eines aufgekratzten und gleichzeitig wohligen Genusses zu bringen vermag. Schicht um Schicht legen Rhye Spannungsbögen aufeinander. Eine Überraschung, die unbedingt eine Wiederholung braucht.

Finian Paul Greenall nennt sich Fink. Er ist ein kerniger Typ. Er könnte in seinem Vormusikerleben Zimmerer oder Seemann gewesen sein. Tatsächlich arbeitete er lange Jahre als DJ und Produzent elektronischer Musik, als er sich für zwei Jahre von der Welt der Elektronik verabschiedete, um sich als Singer-Songwriter mit Akustikgitarre neu zu erfinden.

Er ist kein Sensibelchen, der der Liebe als Sehnsuchtsort nachspürt, sondern ein Mann, der mitten im Leben steht und mit viel Gespür für Melodie, Atmosphäre und Dynamik einen betörend-geerdeten Wohlklang erzeugt. So berauschend, dass ein aus der Zeit gefallener Posthippie sich in schlangenhaften Bewegungen am Boden windend in einen tranceartigen Zustand zu bringen vermag. Zur Beruhigung: Man musste nicht in diese spirituelle Versunkenheit eintauchen, um dem Zauber von Fink zu verfallen.

Zum Schluss des Konzerts gibt sich Greenall als glühender Verehrer des Stars des Abends, Ben Howard, zu erkennen. Er prophezeit dem Publikum, dass er "euch töten wird, so gut ist er!"

Seine Ankündigung sollte sich bewahrheiten. Ben Howard liefert im Palladium ein berauschendes Set ab, das man in dieser Intensität nicht voraussehen konnte - allerdings mit einer deutlichen Einschränkung. Wer nach seinem ersten, viel gelobten und preisgekrönten Album "Every Kingdom" einen musikalisch ausgereiften Ed Sheeran erwartet hatte, wurde enttäuscht. Howards Melancholie ist geblieben, aber das Konzert an diesem Abend kann man nicht am Lagerfeuer spielen.

Um sich hat er sechs Musiker, die aus seinen Songvorlagen ein Rockopus erschaffen. Nur ein Stück, das nicht über acht bis zehn Minuten neu interpretiert wird. Die Bühne ist völlig dunkel, als Ben Howard begeistert empfangen wird. Das Eröffnungsstück "Small Things" entführt in eine psychedelische Welt, voller Spannung und Süffigkeit, die sich zum Schluss zu einer Endzeit-Stimmung steigert.

Bis zum Ende des Konzerts richtet Howard kein einziges Wort an sein Publikum, immer wieder werden ihm verschiedenfarbige E-Gitarren gereicht, immer wieder wendet er dem Publikum den Rücken zu. Arroganz? Nein, als er am Ende wenige Worte des Dankes findet, ist sein Gesicht entwaffnend freundlich und glücklich. Er ist in einem Rausch, den Musik ohne Drogen, absolut gesundheitstauglich, erreichen kann.

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