Kölner Wallraf-Richartz-Museum Liebespein im Kerzenschein

KÖLN · Was ist das für eine bezaubernde Bildidee: Man tauche das Motiv, in der Regel hübsche, kaum bekleidete Frauen, ins Schummerlicht flackernder Kerzen oder Öllampen, gehe nah heran, mache den Betrachter quasi zum Komplizen der intimen Szene, spiele ihm die Rolle des Voyeurs zu.

 Raffinierte Lichtregie: Der für seine Kerzenscheinbilder bekannte Godefridus Schalcken malte um 1685 das Gemälde "Schlafende Venus mit Cupido".

Raffinierte Lichtregie: Der für seine Kerzenscheinbilder bekannte Godefridus Schalcken malte um 1685 das Gemälde "Schlafende Venus mit Cupido".

Foto: Wallraf

Alles ist in diesem Umfeld künstlerisch möglich: Nackte Rücken und das Weiß blanker Brüste reflektieren den warmen Schein, Seide glänzt; und Schmuck blitzt auf, sogar in den Augen sind Reflexe zu sehen. Ein Maler, der das virtuos umsetzen kann, ist ein gemachter Mann. Godefridus Schalcken (1643-1704) konnte das, er machte die Kerzenlichtbilder im Goldenen Zeitalter der holländischen Kunst zu seinem Markenzeichen.

Dass aber auch cleverstes Marketing, Mega-Erfolg zu Lebzeiten und ein allseits bewundertes Können nicht vor dem Vergessen schützen können, das zeigt der Fall des Godefridus Schalcken. Seine Kunst fehlt in keiner bedeutenden höfischen Sammlung Europas, doch der Name dieses Meisters, dessen glänzende Karriere wenige Jahre vor Rembrandts Tod begann, ist nahezu unbekannt. Schalckens galante Feinmalerei, sein Virtuosentum passten nicht in die spätere Rezeptionsgeschichte des Goldenen Zeitalters, in der man die gröbere Textur von Rembrandt, Vermeer und Frans Hals höher schätzte.

Im Kölner Wallraf-Richartz-Museum bekommt Schalcken nun eine zweite Chance. Mit einer opulenten Schau, die 80 Gemälde aus großen Museen der Welt zusammenbringt, wird Schalcken gefeiert. Eingerahmt vom frühesten Selbstporträt (1679) und dem im Todesjahr 1706 entstandenen Selbstbildnis - beide flankiert von Porträts der schönen Gattin Françoisia van Diemen - zeigt das Wallraf ein prächtiges Panorama dieser delikaten Malerei des armen Predigersohns aus Dordrecht, der es zum Maler der Londoner Society und zum Hofmaler etwa Jan Wellems in Düsseldorf brachte.

Zumeist sind es winzige, intime Bilder, die in der Tradition der Leidener Feinmalerei mit größter Liebe zum Detail und Effekt gemalt sind. Schalcken hat sein Handwerk bei Gerrit Dou gelernt. Hätte das Museum einige Dous dazugehängt (das Wallraf besitzt zumindest einen), würde man erkennen, wie eng verwandt die Motive sind, aber auch, wo sich Schalcken vom Lehrer entfernt hat. Dou hat die Feinmalerei bei den Gegenständen auf die Spitze getrieben, sein Schüler folgte ihm da nicht, konzentrierte sich mehr auf die Menschen und hat auf diesem Feld seinen Lehrer überflügelt.

Die Ausstellung feiert Schalcken zu Recht als begnadeten Porträtisten, der seine akkurat nach der Mode der Zeit gekleideten Modelle perfekt ins Licht setzte. Die Schau zeigt aber auch, wie virtuos der Maler Geschichten und die vom bürgerlichen Publikum goutierten komplexen Anspielungen jener Zeit umsetzte. Wir sehen eine kokette, junge Frau mit üppigem Dekolleté, bemerken aber nicht die Bedeutung ihrer Handhaltung, die Finger am Saum ihres Hemdes. Fans der holländischen Malerei erkennen hier das beliebte Motiv der Flohsuche.

Das tugendsame Motiv der Reinlichkeit trifft hier auf die Figur des Flohs, der damals als glücklicher Liebhaber besungen wurde, allein schon, weil er sich am Busen und sonst wo aufhalten darf. Erotische Konnotationen und eine gelehrte Pikanterie begleiten etliche Bilder dieser Schau, die sinnig "gemalte Verführung" genannt wird. So erotisch-anspielungsreich die Gemälde auch sind, im Hintergrund steht stets augenzwinkernd die moralische Warnung vor dem zügellosen Leben.

Es wundert nicht, dass Schalcken bei seinen mythologischen und biblischen Kerzenscheinbildern ebenfalls die Erotikkarte zog, zumal der Markt das offenbar forderte: Schalckens hingegossene und von einem süßen, witzigen Cupido mit der Kerze beleuchtete Venus ist ein sowohl kompositorisches wie auch koloristisches Meisterwerk des Genres; seine barbusige, mit feuchten Augen büßende Magdalena im Schein einer Öllampe erscheint hingegen etwas plumper inszeniert, kommt als schwüles Boudoirbild daher.

Interessant ist die Lichtregie in der "Anbetung der Hirten" aus den Uffizien: Drei Lichtquellen schaffen ein geradezu modernes Ambiente - aus sich heraus leuchtet das Jesuskind, während Putten von oben das göttliche Licht beisteuern und ein irdisches Kerzenlicht wenig mehr als einen Lichtpunkt setzt.

Ist Schalcken nun rehabilitiert? Die liebevoll inszenierte Ausstellung verführt trotz der tollen Bilder nicht dazu, die Kunstgeschichte neu schreiben zu wollen und die Bewertung der Niederländer auf den Kopf zu stellen. Ob die Erfindung des Kerzenscheinbildes reicht, Schalcken, wie beabsichtigt, in die oberste Liga zu katapultieren, erscheint fraglich. Aber immerhin: Die Diskussion ist eröffnet und macht Spaß.

Wallraf-Richartz-Museum Köln; bis 24. Januar. Di-So 10-18 Uhr. Katalog (Belser) 29 Euro

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