Kabarett vom Feinsten Kleine Dramen um das deutsche Schreckgespenst

KÖLN · Thomas Quasthoff und Michael Frowin machen in der Kölner Philharmonie formvollendet "Keine Kunst".

 Michael Frowin

Michael Frowin

Foto: Meisenberg (Archiv)

"Der schwerbehinderte Zwerg wankt auf die Bühne mit blutunterlaufenen Augen." Der hier zitierte Auftritt von Thomas Quasthoff - Bassbariton, Professor für Gesang an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin, contergangeschädigt und 1,30 Meter groß - bezieht sich auf ein Konzert in der Meistersingerhalle Nürnberg - und wurde genauso in den "Nürnberger Nachrichten" veröffentlicht. Bei denen es sich wohl um das Nachfolgeblatt von "Der Stürmer" handele, wie Quasthoff meint. Und schon ist man mittendrin in einem wunderbaren, ungemein kurzweiligen und mitunter auch bitterbösen Kabarettprogramm, mit dem der Berliner derzeit zusammen mit dem Schauspieler, Musicalsänger und Autor Michael Frowin auf Tour ist.

Montagabend konnte man die beiden, kongenial begleitet, und auch durchaus wehrhaft, von Jochen Kilian am Flügel, in der Philharmonie im Rahmen des "24. Kölner Comedy Festivals" erleben. Das Programm heißt "Keine Kunst". Und das machen die drei formvollendet. 140 Minuten lang - mit Pause - zieht sich der Deutschen Schreckgespenst als roter Faden durch eine Revue, in der Sketche, Gesangsnummern und Kurzfassungen großer Dramen einander abwechseln.

Quasthoff gibt hinreißend den gefeierten Opernsänger, der sich von der Bühne zurückgezogen hat, um dennoch zu jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass er unzählige Preise erhielt, mit den berühmtesten Orchestern der Welt auf der Bühne stand und "seit über 30 Jahren in Köln singt - aber die U-Bahn ist immer noch nicht fertig". Frowin bietet ihm gesanglich und verbal elegant Paroli. Und wenn alles nicht mehr hilft, bedroht er ihn mit der Blockflöte. Der hat nämlich ein Telemann-Trauma.

Drei Stühle, ein Tisch, ein Koffer und ein Flügel genügen, damit illustre Herrschaften wie Goethe, Schiller und Heine, Bohlen, Raab und Barth, Dégas und Monet ihren Auftritt haben. Die Mundarten wechseln genauso schnell wie die Genres. Zwischen "Winterreise"-Anfang, Pariser Chanson und der Hymne auf eine Stadt wie Detmold, Hitler-Parodie, Kochen im Radio und Markus-Lanz-Persiflage ist dabei alles möglich. Das ist nicht "Keine Kunst", sondern ganz große.

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