Willy-Brandt-Forum Unkel Brandts Beitrag zur Perestroika

UNKEL · Willy Brandts Unkeler Zeit – er lebte von 1979 bis 1992 in dem Ort am Rhein – war für den Friedensnobelpreisträger und ersten SPD-Bundeskanzler eine Zeit internationaler Begegnungen.

 Halten das Gedenken an Willy Brandt lebendig (v.l.): Rudolf Rupperath, Wolfgang Roth, Klaus Lindenberg, Christoph Charlier und Rudolf Barth.

Halten das Gedenken an Willy Brandt lebendig (v.l.): Rudolf Rupperath, Wolfgang Roth, Klaus Lindenberg, Christoph Charlier und Rudolf Barth.

Foto: Frank Homann

„Von der Kulturstadt am Rhein aus unternahm er mehr als 200 Reisen in alle Welt“, so der Vorsitzende der Bürgerstiftung Willy-Brandt-Forum, Christoph Charlier. Über diese Zeit sprach auf Einladung des Forums Klaus Lindenberg, außenpolitischer Berater und Büroleiter Brandts in dessen Zeit als Präsident der Sozialistischen Internationale (SI) 1986 bis 1992.

Als „Staatsmann ohne Staatsamt“ habe Brandt sein internationales Prestige genutzt, um als Präsident der SI und Vorsitzender der Nord-Süd-Kommission aktuelle Antworten auf die Fragen von Hunger und Krieg, von Entwicklung und Frieden zu suchen, so Charlier.

Lindenberg berichtete, er sei Brandt zum ersten Mal 1975 in Caracas begegnet. Der Diplom-Politologe war von 1971 bis 1977 Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Venezuela, ab 1973 auch Leiter des Lateinamerikanischen Instituts für soziale Forschungen in der südamerikanischen Hauptstadt. Von 1977 bis 1992 habe er dann Brandts Reisen organisiert und den Politiker begleitet. „Wenn uns Fahrer Hans Simon am Tor 13 des Köln/Bonner Flughafens abgesetzt hatte, ließ der angeblich Unnahbare hinter sich, was ihm die dunkle Seite der Bewunderung in Deutschland so alles bescherte“, so Lindenberg.

Mitten im „zweiten Kalten Krieg“ habe Brandt begonnen, nach den Möglichkeiten einer zweiten „Neuen Ostpolitik“ zu suchen. Schon im Mai 1985 sei es zu einem Treffen in Moskau mit dem erst zwei Monate zuvor gewählten KPdSU-Generalsekretär, Michail Gorbatschow, gekommen.

Der habe Brandt mit seinem offenen Lachen zu einem echten Gedankenaustausch über das europäische Haus gebracht, so der Referent. Im April 1988 sei Brandt dann von Gorbatschow im Kreml empfangen worden. Nach einem Gespräch über die Demokratisierung der UdSSR habe Brandt um ein Treffen mit dem Dissidenten Andrei Sacharow gebeten, dessen Verbannung nach Gorki erst im Dezember 1986 aufgehoben worden war. Lindenberg: „Gorbatschows Kommentar: 'Sie wissen schon richtig damit umzugehen!'“

Beim Deutschland-Besuch im Sommer 1989 sei Gorbatschow die Enttäuschung über die Schwierigkeiten seiner Perestroika-Politik deutlich anzusehen gewesen. „Schon damals, noch vor Erich Honeckers Sturz im Oktober, deutete er in dem Gespräch über ein gemeinsames Dach beider deutscher Staaten die Veränderungen in der DDR an. Dabei waren seine Vorstellungen viel konkreter als die von Brandt“, berichtete der Zeitzeuge.

Mit einem der Fotos aus seinem Privatbesitz belegte er, dass nicht nur Sprach- und Wortwahl, sondern auch die Körpersprache der beiden Staatsmänner zeigte, wie nah sie sich gekommen waren. „Willy Brandt hat mich zum Sozialdemokraten gemacht“, solle Gorbatschow gesagt haben.

Lindenberg streifte in seinem Referat die Treffen mit zahlreichen Politikern aus Süd- und Mittelamerika, berichtete von der Indien- und Chinareise 1984, von der Zusammenkunft mit Fidel Castro und beschrieb Brandts freundschaftliche Beziehungen zu Bruno Kreisky, 1970 bis 1983 Bundeskanzler der Republik Österreich, zu Olof Palme, Premierminister von Schweden 1969 bis 1976 und 1982 bis 1986, sowie zum ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten Felipe Gonzales (1974 bis 1997).

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