Vortrag in Sinzig „Wir feiern Feste, wie sie fallen“

SINZIG · Karl-Friedrich Amendt vom Förderverein Denkmalpflege und Heimatmuseum referierte im Rathaus über das Thema „Was ist eine Stadt?“.

Karl-Friedrich Amendt referierte bei den Sinziger Turmgesprächen über das Wesen der Städte.

Karl-Friedrich Amendt referierte bei den Sinziger Turmgesprächen über das Wesen der Städte.

Foto: Martin Gausmann

Was ist eine Stadt? Auf diese im Jubiläumsjahr „750 Jahre Stadt Sinzig“ naheliegende Frage ging Karl-Friedrich Amendt im Rathaus ein. Denn wer die Stadtwerdung feiert, sollte auch wissen, was dahintersteckt. Begrüßt durch die Erste Beigeordnete Charlotte Hager, schickte Amendt, Vorsitzender des Fördervereins der Denkmalpflege und des Heimatmuseums, voraus: „Die Frage ist komplizierter, als man denkt. “

Nicht allein die Größe einer Siedlung und die Anzahl der Bewohner zählen. Als Indizien für eine Stadt gelten außerdem die Anbindung an größere Verkehrswege, Produktion über die Selbstversorgung hinaus, Handel, Dienstleistung und Märkte, auch Unterhaltungsangebote sowie eine eigene Verwaltung, während Dörfer durch Land- und Eigenbedarfswirtschaft gekennzeichnet sind. Nicht zuletzt galt es, den Status wehrhaft zu schützen oder ihn überhaupt erst zu erstreiten. Freie Städte, die diesen Namen verdient haben, wie die Hansestädte der reichen Kaufleute, seien zumeist durch Kampf dazu geworden. Zudem vollzog sich Stadtentwicklung oft in einem jahrhundertelangen Prozess.

Die Römer unterschieden ihre Städte mit Stadtrechten, „Civitas“ (Bürgerschaft), von „Oppidum“ (Stadt), den stadtähnlichen Siedlungen der Kelten. Diese Begriffe vermischten sich im europäischen Mittelalter. Städte nannten sich sowohl Civitas als auch Oppidum, ohne dass dies immer Rückschlüsse auf ihre Eigenständigkeit zuließ. Titularstädte bekamen dagegen durch den König oder bevollmächtigten Landesherrn den Titel Stadt verliehen und damit verbunden oft die mittelalterlichen Stadtrechte Markt-, Mauer-, Maut- und Münzrecht. Es gab die Stadtrechte auch ohne förmliche Stadternennung, wie in Sinzig, das 1310 Marktrecht und 1297 Mauerrecht sowie Mautrecht („Ungeld“ zum Bau der Mauer) erhielt. Verglichen mit den freien Städten, waren die königlich und landesherrlich verliehenen Stadtrechte „eine Mogelpackung“, wie die Verpfändungen der Städte zeigen. Für Sinzig fehlt eine förmliche Stadternennungsurkunde. Allerdings war der Ort als Königspfalz (8. bis 13. Jahrhundert) bedeutsam, die an der wichtigen Krönungs-, Handels- und Pilgerroute Aachen-Frankfurter-Heerstraße lag. Doch schwand die Bedeutung, als die Verwaltung der Pfalz von Sinzig 1206 an die neu errichtete Burg Landskron ging. Andererseits verweist die 1241 geweihte große Kirche St. Peter auf ein erstarkendes Selbstbewusstsein des Ortes. 1255 trat Sinzig gar mit Erlaubnis der Reichsburgen Landskron und Hammerstein dem Militärbündnis Rheinischer Städtebund bei.

Im Jahr 1267 bestätigte der Kölner Erzbischof Engelbert, der Sinzig erobert hatte, den Bewohnern ihre bisherigen Rechte. Sie erscheinen erstmals als „Oppidanos“ (Städter). Amendt mutmaßt, der Erzbischof habe Sinzig zur Strafe eingenommen, da die ihm Schutzgeld pflichtigen Juden dort 1265 in einem Pogrom durch die übrige Bevölkerung ermordet worden waren. Zur Besänftigung der Sinziger Ritter habe er bestehende Rechte bestätigt. Da bislang keine andere Urkunde aufgetaucht ist, die bestimmte Stadtrechte an den Rat und die Bürger der Stadt bezeugt, gilt in der Mittelalterforschung die vom Erzbischof ausgestellte Urkunde von 1267 quasi ersatzweise als Stadtrechtsverleihungsurkunde für Sinzig. Tatsächliche Stadtrechte wie Mauerrecht und Mautrecht 1297 bekam die Stadt zwar erst später, „doch wir feiern die Feste, wie sie fallen“, so Amendt.

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