GA-Interview Henning Scherf über seine Erfahrungen mit der Ahr-Region

Henning Scherf, der ehemalige Bremer Bürgermeister, SPD-Politiker und Experte fürs Älterwerden und Ältersein, ist in diesem Jahr der Schirmherr der Ahrweiler Freiheitswochen.

Herr Scherf, was hat Sie bewogen, die Schirmherrschaft der Ahrweiler Freiheitswochen zu übernehmen?

Henning Scherf: Wolfgang Grambs, der Projektleiter der Friedenswochen, hat mich mit seiner herzlichen und überzeugenden Art überredet. Es gefiel mir, wie er mit vielen Ehrenamtlichen ein nun schon mehrere Jahre sich entfaltendes Projekt durchgesetzt hat.

Sie werden zum Auftakt der Freiheitswochen einige Tage an der Ahr verbringen und an zahlreichen Veranstaltungen teilnehmen. Zwei davon drehen sich um das Thema „Miteinander der Generationen“, das ja diesmal auch Thema der Freiheitswochen ist. Welchen Stellenwert hat für Sie dieses Thema?

Scherf: Unsere Gesellschaft ändert sich dramatisch. Wir werden immer älter und damit immer mehr Alte. Zugleich kommen geburtenschwache Jahrgänge nach. Meine Antwort auf diese Herausforderung ist: Wir rücken zusammen! Wenn das gelingt, haben wir alle, Jung und Alt, eine attraktive Lebensperspektive.

Sie setzen sich seit vielen Jahren für Freiheit und vor allem für Toleranz in vielen verschiedenen Lebensfeldern ein. Wie ist es zu diesem Engagement gekommen?

Scherf: Ich bin mit meinen Geschwistern in der Bekennenden Kirche aufgewachsen. Schon sehr früh habe ich da gelernt, sich den Nazis nicht zu ergeben. Auch habe ich in unserer Gemeinde mit jüdischen Familien den Krieg erlebt. Das hat mich geprägt.

Mit Celia Sasic erhält nach Hans-Dietrich Genscher (2016) und Kardinal Lehmann (2017) eine junge Frau den Freiheiterpreis. Wie finden Sie das?

Scherf: Das ist ein sehr gutes Signal. Wir Alte freuen uns ganz besonders über engagierte junge Menschen, das gilt insbesondere für Celia Sasic.

Was wünschen Sie den Ahrweiler Freiheitswochen für die Zukunft?

Scherf: Viel Zuspruch und Anerkennung. Es ist gut, wenn die Freiheitswochen immer bunter werden, weil es eine Initiative ist, die in unsere Zeit passt.

Gibt es Themen, die Ihrer Meinung nach in das Freiheiterkonzept hineingehörten?

Scherf: Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden. Solidarität ist keine leere Propagandaformel, sondern der einzige Weg, in unübersichtlichen Zeiten friedlich miteinander klarzukommen. Inklusion beispielsweise ist nicht nur in der Schule wichtig, sondern ist Programm für die gesamte Gesellschaft.

Sie leben seit vielen Jahren in einer Senioren-Wohngemeinschaft. Ist das ein Modell für unsere stetig alternde Gesellschaft?

Scherf: Es ist ein Modell neben vielen anderen. Ich kenne inzwischen Hunderte solcher Modelle. Alle sind besonders und haben für die Beteiligten einen hohen Wohlfühlwert. Wir, meine Frau Luise und ich, leben seit 30 Jahren mit zehn Freunden in einem gemeinsamen Haus und es ist immer noch spannend.

Und das gemeinsame Leben hilft gegen die Einsamkeit...

Scherf: Wenn Sie das als Ausgangslage nehmen, braucht es viele, viele Ideen – nicht nur meine –, um zu bewirken, dass Menschen, die im Alter von Einsamkeit bedroht sind, nicht allein sein müssen. Natürlich freiwillig und mit hohem Respekt vor unterschiedlichen Wünschen und Lebensstilen.

Was kann und muss Politik von der Kommune bis zum Bund tun, um alternative Wohn- und Lebensformen im Alter zu unterstützen?

Scherf: Das Thema darf nicht dem Markt überlassen bleiben. Viele Projekte für das Wohnen im Alter suchen verzweifelt günstige Grundstücke oder preiswerte Immobilien. Da können gerade die Kommunen helfend eingreifen.

Sie bekleiden auch lange nach ihrem Rückzug aus der Politik immer noch zahlreiche Ehrenämter, sind viel unterwegs, halten Vorträge und nehmen an Diskussionen teil. Und Sie werden im Oktober 80 Jahre alt. Wie schaffen Sie das?

Scherf: Mich halten meine vielfältigen Aufgaben mobil. Und meine mir seit 58 Jahren angetraute Luise kümmert sich gleichermaßen um vieles. Unser Altersleben ist sehr bunt und das hält uns weiterhin fit.

Stimmt es, dass Sie ausschließlich heißes Wasser trinken?

Scherf: Ja, seit 20 Jahren trinke ich nichts anderes, auch keinen Kaffee, keinen Alkohol. Ich habe das in China gelernt, die trinken seit 5000 Jahren heißes Wasser.

Wie gut kennen Sie die Ahr? Haben Sie als Hanseat die Region schon besucht, ehe Sie die Schirmherrschaft der Freiheitswochen übernommen haben?

Scherf: Seit mehr als 30 Jahren fahren wir jährlich nach Cassel in der Eifel und haben uns von dort aus die Ahr-Region erobert. Zunächst ging das mit normalen Fahrrädern, jetzt finden wir Elektroräder sehr attraktiv. Von Cassel nach Remagen zu radeln, das ist das pure Vergnügen.

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