Silvester gebacken und Neujahr verzehrt

Nicht nur in Bad Godesberg gehören die goldbraun gebackenen Neujahrskränze und -brezeln zur "leckeren" Sitte - Brauch geht bis in germanische Vorzeiten zurück

Silvester gebacken und Neujahr verzehrt
Foto: Frommann

Bad Godesberg. Nun prangen sie wieder in den Schaufenstern der Bäckereien in Bad Godesberg, die goldbraunen Neujahrskränze und Neujahrsbrezeln in allen Formaten. Viele sind nach alter Sitte noch dicht bestreut mit den weißen dicken Körnern des Hagelzuckers.

Ein glückbringendes Gebäck, sozusagen eine leckere Garantie für ein gutes Jahr. Sie sind eine einmalige Erscheinung im vielseitigen Angebot: Silvester gebacken, Neujahr verzehrt, so will es die alte Sitte. Und an diesem urrheinischen Brauch halten auch die Godesberger noch fest. Nicht einmal die "Berliner" haben das traditionelle Hefegebäck im Rheinland verdrängen können.

"Ein Drittel des gesamten Umsatzes zu Silvester besteht in Neujahrkränzen und Neujahrsbrezeln", bestätigt Rolf Maus für seine alteingesessene Bäckerei in der Godesberger Innenstadt. Und was die Größe der Kränze oder Brezel angeht, so ist die durchaus variabel, nach Bedarf. Im Durchschnitt wird hier der Neujahrskranz heute aus einem Pfund Mehl gebacken und hat einen Durchmesser von etwa 35 Zentimeter. Größere Neujahrkränze werden auf Wunsch und Bestellung auch hergestellt. Aber im Allgemeinen ist die Runde am Frühstückstisch durchweg kleiner geworden als in früheren Zeiten.

Zur ersten Mahlzeit am ersten Tag des Jahres wird nach alter Tradition der Neujahrskranz angeschnitten. Das ist altes Recht des Hausherrn. Jeder bekommt sein Stück. Mit Butter bestrichen und möglichst mit selbst eingemachtem Johannisbeer-Gelee, ein Hochgenuss.

Früher wurde der Neujahrskranz oder die Neujahrsbrezel morgens mit in die Kirche genommen und gesegnet, ehe das weiße duftende Hefegebäck in der Familie zur Verteilung kam. Dieser Hinweis stammt aus dem Amt für rheinische Landeskunde in Bonn. Hier findet man die Geschichte des Neujahrsgebäck mit aller Gelehrsamkeit dargestellt. Wenn auch die Kirche lange Zeit den Neujahrskranz oder Brezel segnete, so geht der Brauch doch bis in germanische Vorzeiten zurück.

Der Neujahrskranz oder die Brezel zählt zu den sogenannten "Gebildbroten". Fast in allen Kulturen findet sich der Brauch, dass Gebilde, Menschen- oder Tierfiguren, symbolhafte Gestalten hergestellt werden, um überirdischen Segen herabzurufen. Ein solches Grundmotiv stellt die runde oder doch geschlossene Form, der Kranz oder die Brezel dar. Er ist ein glückbringendes Symbol oder ein Segenswunsch: das Jahr möge sich noch einmal für alle runden, die da um den Tisch sitzen und von dem weißen Gebäck essen.

Das Flechten der Hefezöpfe zu einer runden und geschlossenen Form soll auch eine tiefere kultische Beziehung haben. Es erinnert an das sogenannte Haaropfer: Frauen brachten ihre Flechten zum Opfer dar, ein Vorgang, der oft in alten Sagen vorkommt. So ist das geflochtene Gebäck auch ein Rückblick an frühe Opfergaben. Tatsächlich war der Kranz oder die Brezel früher ein kostbares Geschenk, denn das wirklich weiße Mehl war teuer. Daher brachten Kinder das Neujahrsgebäck zu ihren Paten und wurden durch ein Geldgeschenk belohnt.

All das ist lange her. Aber wenn der Neujahrskranz über die Theke gereicht und nach Hause getragen wird, geht doch ein wenig alter rheinischer Volksbrauch und Volksglauben mit und vermittelt sich auch den vielen Neubürgern, die in Bad Godesberg heimisch geworden sind.

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