GA-Serie: Rheinische Redewendungen Heißt es Weckmann oder Hierzemännchen?

Region · Der Dialektbegriff für das „Gebildbrot“ unterscheidet sich in den verschiedenen Landstrichen des Rheinlandes. Beim Bäcker kann das schon mal zu Irritationen führen.

 Elisabeth Lehnert zeigt einen Weckmann mit Schokoladenstückchen und einen klassisschen Weckmann bei der Bäckerei Schell.

Elisabeth Lehnert zeigt einen Weckmann mit Schokoladenstückchen und einen klassisschen Weckmann bei der Bäckerei Schell.

Foto: Benjamin Westhoff

Kürzlich, beim Bäcker meines Vertrauens: Ich frage die Verkäuferin, ob sie ein Gebildbrot in der Gestalt eines Mannes habe. Sie schaut mich fragend an, zögert und antwortet schließlich: Sie wisse nicht, was das sein solle. Dabei lag das bzw. der Gesuchte gleich vor ihr in der Auslage – und sogar in zweifacher Ausführung: Als „Weckmann mit Pfeife“ und als „Hirzemännchen“, so die Preisschildchen.

Das Hierzemännchen (ich schreibe es mit ie) sah aus wie der kleine Bruder des Weckmanns. Es hatte aber keine Tonpfeife (kleine Kinder dürfen ja nicht rauchen) und es war über und über mit Zucker bestreut. Und weil es so klein ist, heißt es auch Hierzemännchen und nicht etwa Hierzemann. Hierzemann aber ist sein eigentlicher Name.

Früher wurden in der Zeit um Nikolaus, Weihnachten und Neujahr allerlei Gebildbrote vom Bäcker gebacken, Brote, die eine besondere Gestalt hatten: Es gab Tiere, die wie ein Hirsch aussahen und dann auch so genannt wurden; auf Platt war das ein „Hierz“. Das Gebildbrot in der Gestalt eines Mannes hieß passend dazu „Hierzemann“. Als später „Weckmann“ im Rheinland zur allgemein üblichen Bezeichnung aufstieg, wurde das alte Wort Hierzemann aufgegeben – aber eben doch nicht ganz.

Eine Bäckerei, die zwei eigentlich konkurrierende und in ihrer Bedeutung gleiche Bezeichnungen für unterschiedliche Backwerke verwendet, macht alles richtig. Vergleichbares kommt in der Sprachgeschichte immer wieder vor. Nehmen wir das Möbelstück, an das wir uns setzen, wenn wir essen: Dabei differenzieren wir zwischen „Tisch“ und „Tafel“. Beide Wörter könnten durchaus dieselbe Bedeutung haben – aber wir nennen beispielsweise das Klappmöbel, das wir auf dem Campingplatz aufstellen, nie und nimmer Tafel, auch wenn wir im Urlaub daran fürstlich speisen (und „tafeln“) sollten. Für die Niederländer ist der Tisch eine „tafel“, im Englischen heißt er „table“.

Hiezemann, Hiezemännche, Hierzellemann

Vor fünf Jahren (2011) hat unser LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte auf einem Fragebogen nach den Dialektbezeichnungen für den Weckmann gefragt. Aus den verschiedenen Stadtteilen Bonns kamen als Antwort: Hiezemann (ohne r), Hiezemännche, auch Hierzellemann, ferner Piefemann (aus Graurheindorf) und natürlich Weckmann und Weckmännche. Der Rhein-Sieg-Kreis steuerte außerdem Stuttemann bei, aus Walberberg und Rheinbach kam der Meärtesweck, aus Hennef-Stoßdorf der Piefekerl. Offensichtlich wird der Weckmann in manchen Orten auch Stutte bzw. Stutze genannt, auf einem in Gimmersdorf ausgefüllten Fragebogen fanden wir: Meärtesstutze.

Zweimal hieß es Hierzebock – aber ist das auch wirklich der Weckmann mit zwei Beinen und Pfeife? Man könnte so immer weitermachen; in Ahrweiler zum Beispiel gibt es ebenfalls den Hierzemann, aber man scheint dort auch Hierzekeal oder einfach Hierz zu sagen…Der „Weckmann“ heißt so, weil er denselben Teig hat wie der „Weck“. Wer im Raum Bonn einen Bäckerladen betritt, wird wohl meistens auf diese Bezeichnung stoßen: Sie gilt im Rheinland als hochdeutsch. Der Rechtschreib-„Duden“ von 2013 kennt unser Wort allerdings nicht, so dass man es zwischen Weckerl, Weckglas und Weckruf vergebens sucht.

Im Osten des Rheinlands und in Westfalen wird der Weckmann dagegen Stutenkerl genannt, aber auch dieses Stichwort fehlt im „Duden“. Und was ist mit „Weckerl“? Nein, das ist kein „Weckkerl“ mit Druckfehler, sondern die Bezeichnung für ein längliches Weizenbrötchen – so gebräuchlich in Österreich und Bayern. Rheinisch!

Dr. Georg Cornelissen ist Leiter der Abteilung Sprachforschung im LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte. Der Wissenschaftler ist in Kevelaer geboren und lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern in Bonn. Cornelissen hat Sprachwissenschaften, Geschichte und Niederländisch in Köln und Bonn studiert. Seine Schwerpunkte sind übergreifende Sprachforschung Rheinland/Niederlande und Rheinland/Westfalen.

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