Eine Leiche und Nacktbaden im Siegburger Mühlengraben

Neue Ausgabe der Siegburger Blätter beschäftigt sich mit dem von Menschen geschaffenen Wasserlauf - An Ufern standen einst fünf Mühlen

Siegburg. Was ist er nicht schon alles gewesen, der Siegburger Mühlengraben! Der alte Flusslauf quer durch die Kreisstadt diente als Energiequelle für Mühlen, als Transportweg, Badeanstalt, Waschort und Wasserlieferant für Fabriken. Sogar eine Leiche fischten Bürger 1547 aus dem Gewässer. Aber der Reihe nach. Die neue Ausgabe der Siegburger Blätter erzählt die Geschichte des Mühlengrabens.

Wann die Geschichte beginnt, ist nicht sicher zu klären. Urkundlich nachgewiesen ist der Mühlengraben das erste Mal in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Doch ist anzunehmen, dass er bereits mit der Gründung der Stadt zum Ende des 11. Jahrhunderts angelegt wurde. Denn im Mittelalter wurden im Gefolge von Stadtgründungen auch Mühlen gebaut, die mit Wasser betrieben wurden.

Auf exakt 4,668 Kilometern schlängelt sich der Mühlengraben durch Siegburg. Oberhalb des Buisdorfer Wehrs zweigt er von der Sieg ab und mündet schließlich kurz vor der Brücke der B 56 wieder in die Sieg. Hinter dieser Beschreibung "verbirgt sich ein interessanter Wasserlauf, dessen Wellen zugleich auch wichtige Stationen der Stadtgeschichte widerspiegeln", schreiben die Autoren.

Der Mühlengraben ist ein von Menschenhand künstlich angelegter Wasserlauf, der teils aus alten Siegarmen besteht. Bis heute wurde der Lauf nicht verändert. Im Jahr 1990 nahm ihn die Stadt als Nummer 75 in die Denkmalliste auf.

Fünf Mühlen wurden mit seinem Wasser betrieben: eine Mahl-, eine Walk-, eine Loh-, eine Papier- und eine Ölmühle. Außerdem schöpften die Bürger Wasser aus ihm und wuschen Wäsche. Auch Unfälle ereigneten sich, wie die Leiche des Jahres 1547 zeigt. Seit dem 15. Jahrhundert schaffte man einheimisches Baumaterial, den Wolsdorfer Brocken, auf flachen Kähnen in die Stadt. Schiffseigner, die "Möllejraven-Kapitäne", boten bis Anfang des 19. Jahrhunderts Transporte über den Mühlengraben und die Sieg an.

Die Kattunfabrik "Rolffs & Cie" siedelte sich 1840 in Siegburg an, weil man für die Baumwolldruckerei möglichst kalkarmes Wasser benötigte, das es in dem Gebiet mit dem alten Flurnamen Höhnerlaach zur Genüge gab. Anfang des 19. Jahrhunderts beschwerten sich Frauen, dass Buben nackt im Mühlengraben baden würden. 1906 beschloss der Rat, eine Badeanstalt im Mühlengraben einzurichten, die 1928 mit dem Bau der Fabrikanlagen für die Bemberg, später Zellwoll AG-Phrix, wieder abgerissen wurde. 1914 folgte das 1911 gegründete Siegwerk der Kattunfabrik, die das Wasser nicht mehr brauchte.

Eine Genossenschaft zum Ausbau und zur Unterhaltung des Siegburger Mühlengrabens gründete sich 1924 und pflegt bis heute den Wasserlauf, wenn auch mit neuem Namen als "Wasserverband". Einmal im Jahr trifft sich die Führung der Organisation zur Verbandsschau. Das tut Verbandsvorsteher Horst Janoschek genau heute wieder. Dann wird der Mühlengraben per Boot abgefahren, um nach dem Rechten zu sehen.

Mittlerweile gilt der Mühlengraben unter Anglern als Geheimtipp. Ob morgens, mittags oder abends - ihre Ruten werfen die Angler zu jeder Tageszeit aus. Tummeln sich doch dank der guten Wasserqualität - sie ist besser als in der Sieg - Forellen, Aale, Barben und Gründlinge in Siegburgs Wasserlauf.

Die Siegburger Blätter sind im Rathaus, Nogenter Platz, erhältlich. Sie kosten zwei Euro.

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