Überreste einer B-26 fanden sich auf einer Weide

Tochter eines amerikanischen Piloten besuchte nach 57 Jahren die Absturzstelle bei Neukirchen - "Arbeitsgemeinschaft Luftkriegsgeschichte" klärte den Hergang auf

Rheinbach-neukirchen. Am 23. Dezember 1944 war die Luft über der Eifel diesig und schneeverhangen. An diesem Morgen - wenige Monate vor Kriegsende - startete von einem Militärflughafen die amerikanische Bomberschwadron, bestehend aus 30 Maschinen des Typs B-26.

In einem der Flugzeuge saß der damals 22-jährige Ralph Lesmeister. Das Angriffsziel der Bomber: die Eisenbahnbrücken bei Ahrweiler. Die Amerikaner glaubten, mit deren Zerstörung wichtige Versorgungswege der deutschen Bodentruppen abzuschneiden. Das Wetter war günstig für einen Blitzangriff, doch es sollte anders kommen. Urplötzlich klarte der Himmel auf und die zahlenmäßig überlegenen deutschen Jagdflugzeuge griffen die Amerikaner an. Zeitzeugen sprechen noch heute von der Luftschlacht als dem "Massaker über Ahrweiler".

Insgesamt stürzen 16 amerikanische Flugzeuge ab. Auch Lesmeisters Flieger wird getroffen. Über Adenau reißt ein Teil des Hecks ab und mit ihm der darin sitzende Maschinengewehr-Schütze. Der junge Pilot Lesmeister kann die Maschine kaum noch in der Luft halten, die Besatzung rettet sich mit dem Fallschirm. Lesmeister bleibt, hält die Maschine in Richtung Rheinbach solange es geht in der Luft. Kurz vor Neukirchen springt auch er ab. Die Maschine stürzt auf eine Wiese.

Fast 57 Jahre später steht die 52-jährige Amerikanerin Vicki Vanduyn mit ihrem Mann Holand an der Absturzstelle. Axel Paul und Frank Güth von der Arbeitsgemeinschaft Luftkriegsgeschichte begleiten sie und finden mit Hilfe von Metalldetektoren auf der Tierweide Überreste der abgestürzten B-26. Vicki Vanduyn wickelt sie bedächtig in ein Wolltuch. "Das ist ein Stück Familiengeschichte, das ich mit nach Amerika nehme." Zehn Tage hat sie sich Zeit genommen, kam aus den USA über den großen Teich, um in Deutschland die Stelle zu sehen, an der ihr Vater damals abstürzte. "Mich interessiert die Geschichte meines Vaters und als Lehrerin natürlich auch allgemein die Geschichte des Zweiten Weltkrieges."

Ihr Vater überlebt den Abschuss. Wenige Stunden nach dem Absprung wird er in Queckenberg von deutschen Soldaten festgenommen und in ein Gefangenenlager in Barth/Pommern gebracht. Kurz vor Kriegsende erreichen russische Truppen das Lager, riegeln es ab und wollen die gefangenen Offiziere festsetzen. Die amerikanischen Alliierten holen ihre Soldaten per Luftbrücke kurzerhand raus. Wochen später ist Lesmeister in Miami und macht sich auf den Weg zu seiner Frau in Minnesota. Sie bekommen noch acht Kinder. Bis zu seinem Tod 1997 bleibt das Fliegen Lesmeisters großes Hobby.

Vom Krieg, so erzählt Tochter Vicki heute, sprach ihr Vater zunächst kaum. Erst als die Zeit der Veteranen-Treffen begann, erfuhr die Familie mehr. Denn dort sprach Lesmeister mit Kameraden über seine Kriegserlebnisse und den Absturz in Deutschland: "Beim Zusammenstoß mit dem deutschen Flugzeug wurde Frank Stanton bewusstlos. Und dessen Kamerad Clare Oliphant wusste keinen anderen Ausweg, als ihm den Fallschirm umzuschnallen und ihn aus dem Flugzeug zu werfen", erzählt Vicki. Er hoffte, die kalte Luft lasse Frank wieder zu sich kommen, damit er rechtzeitig die Reißleine ziehen könne. Über Josef Merten aus Adenau, der damals zwölf Jahre alt war, erfuhr sie jetzt bei ihrem Deutschlandbesuch, dass der Trick mit der kalten Luft funktioniert hat - Stanton überlebte damals.

Auf einem der Veteranentreffen traf Lesmeister Paul Matus wieder. Beide dachten über 50 Jahre lang voneinander, der andere sei damals beim "Massaker über Ahrweiler" umgekommen. Matus flog direkt neben Lesmeister, als dessen Heck durch ein deutschen Jagdflieger gerammt wurde und ins Trudeln geriet. Auch Matus'' B-26 wurde getroffen. Seine Maschine schaffte es noch bis in den heutigen Kreis Hellenthal. Über einem Wald stürzte sie ab. Matus rettete sich mit einem Fallschirm.

1991 stand der Förster Axel Paul an dieser Stelle. Schon als Kind interessierte sich der gebürtige Rheinbacher für Luftkriegsgeschichte und die Aufklärung von Abstürzen und die Geschichte von vermissten Besatzungsmitgliedern. Vor zwölf Jahren traf er auf Gleichgesinnte, darunter Frank Güth, von Beruf Rettungsassistent beim DRK Euskirchen. Sie gründeten eine Arbeitsgemeinschaft. In mühsamer Kleinarbeit klärten sie eine Reihe von Abstürzen auf.

Anhand von Katalogen und Dokumenten, die ihnen deutsche wie auch amerikanische Behörden zur Verfügung stellten, konnten Paul und Güth die über Hellenthal abgestürzte B-26 als die des Piloten Matus identifizieren. "Ich hatte auch die Adresse und habe Matus einfach einen Brief geschrieben." Zu seinem Erstaunen stimmte die Adresse nach fast 60 Jahren noch, denn Matus schrieb zurück und besuchte Paul in Hellenthal. In den USA erzählt Matus von seinem Besuch in Deutschland und der Arbeitsgemeinschaft. Prompt folgte eine Einladung in die USA, der Paul und Güth gerne folgten. "Dort lernten wir auch Vicki Vanduyn kennen." Gemeinsam machten sie sich daran, den Absturz ihres Vaters aufzuklären, bei der sie auch Josef Merten, den damals zwölfjährigen Jungen aus Adenau befragten. Während für Vicki Vanduyn mit den Flugzeugsplittern im Reisegepäck die Geschichte ihres Vaters ein Stück erlebbar wurde und abgeschlossen werden kann, suchen Paul und Güth weiter. "Es gab damals 70 bis 80 Abstürze über Rheinbach. Über 350 Schicksale von vermissten Piloten sind noch ungeklärt." Möglichst viele hoffen sie mit ihrer Arbeitsgemeinschaft aufklären zu können. "Dabei sind wir auf die Hilfe von Zeitzeugen angewiesen", so Paul.

Wer Hinweise geben kann oder sich für die Arbeitsgemeinschaft Luftkriegsgeschichte interessiert, kann sich bei Axel Paul unter (0 24 47) 91 33 11 melden. Infos gibt es auch im Internet unter: www.ag-luftkriegsgeschichte-kreis-euskirchen.de

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