Ohne Netz und doppelten Boden: Der Reiz analoger Bilder

Königswinter · Königswinter (dpa/tmn) - Günstige Digitalkameras gibt es schon für zweistellige Euro-Beträge, kaum ein Mobiltelefon wird noch ohne Kamera ausgeliefert. Warum sollte man trotzdem noch analog fotografieren?

 Grundausstattung: Selbst ältere analoge Kameras leisten auch heute oft noch gute Dienste. Foto: Andrea Warnecke

Grundausstattung: Selbst ältere analoge Kameras leisten auch heute oft noch gute Dienste. Foto: Andrea Warnecke

Foto: DPA

Film kaufen, einlegen, nach 36 Fotos aus der Kamera nehmen und beim Händler abgeben oder einschicken. Warum machen sich manche Menschen noch immer so viel Mühe mit analoger Fotografie? "In unserer durchdigitalisierten Welt sind immer mehr Menschen auf der Suche nach kreativen, mit den eigenen Händen erzeugten Produkten", erklärt Wolfgang Heinen, Herausgeber des Fachmagazins "PhotoKlassik", das Phänomen.

Dazu kommt ein gewisser Spannungsmoment, den sich viele Fotografen erhalten wollen: "Ich halte einen Moment fest, und dann muss ich warten, ob das Bild etwas geworden ist", sagt Constanze Clauß vom Photoindustrie-Verband. Außerdem hätten gerade junge Menschen über Instagram, Hipstamatic und Co. Fotoeffekte wie Sepiatonung oder Tontrennung kennengelernt und interessierten sich für die Ursprünge dieser Bildbearbeitungs-Apps.

Ein weiterer Grund: Gute Objektive für analoge Kameras gibt es inzwischen für sehr wenig Geld. "Ein lichtstarkes 1:1,4-Objektiv mit M42-Gewinde bekommt man für 50 Euro", nennt Fotopädagoge Thilo Grüllich ein Beispiel für den Preisverfall. Ein vergleichbares Objektiv für eine Digitalkamera koste mehr als 300 Euro.

Grüllich schätzt aber auch, was er den "anderen Workflow" nennt: "Ich muss vorher wissen, wie das Bild aussehen soll." Ähnlich sieht das auch Redakteur Heinen: "Durch das bewusstere, sorgfältigere Gestalten der Fotos in der analogen Welt entsteht eine andere, nachhaltigere Bildsprache", ergänzt Heinen.

"Man muss lernen, sich wieder zurückzunehmen, wenn man weiß, dass der Film die Zahl der Fotos begrenzt", sagt Constanze Clauß. Neben der begrenzten Bilderzahl warten auf Analog-Fotografen aber auch noch andere Überraschungen. "Wer noch nie analog gearbeitet hat, wird erstaunt sein, dass die vielen Programme fehlen", erklärt die Expertin. "Zeit- und Blendenautomatik haben die meisten Fotoapparate, sonstige Features aber eher nicht."

Doch nicht jeder Analogfotograf ist ein Einstieger. Rund die Hälfte seiner Kursteilnehmer sei mit Filmen und Papierbildern groß geworden und wolle die Kenntnisse wieder auffrischen, die andere Hälfte sei digital geprägt, erzählt Grüllich. Den Komplettumstieg macht kaum jemand - fast alle Hobbyfotografen arbeiten abwechselnd digital und analog.

Schwarzweiß oder Farbe? Bei den Verkaufszahlen liegt Clauß zufolge der Farbnegativfilm vorn. Schwarzweiß werde vor allem von Kunden genutzt, die ihre Bilder anschließend auch selbst entwickeln wollen. Dieser Wunsch nach einem echten Original-Bild spielt laut Heinen eine wichtige Rolle bei der Renaissance des Analogen. Wer die Arbeit scheut, kann den Analogfilm aber nach wie vor zum Entwickeln beim Fachhändler abgeben.

Und wie kommen Einsteiger zur Kamera? Unterhalb des Profibereichs gibt es kaum noch Hersteller von neuen Geräten, doch bieten im Internet zahlreiche Portale analoge Kameras in jeder Preisklasse an. Viele Händler verkaufen auch gebrauchte Fotoapparate, "durchgecheckt, mit Beratung und bei Mängeln mit Gewährleistung", so Clauß.

Wer mag, kann sich sogar noch selbst einen Fotoapparat zusammenbasteln: Den 75-teiligen Bausatz "Spiegelreflexkamera selber bauen" aus dem Franzis-Verlag gibt es für rund 50 Euro im Buchhandel oder im Internet. Und der Hersteller Ilford bietet unter dem Namen Obscura und ab etwa 240 Euro Lochkameras an, Fotomaterial inklusive.

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