EU-Fördergelder Wenn der Umweltschutz zur Kampagne wird

Berlin · Die EU-Kommission zahlt Nichtregierungsorganisationen jedes Jahr einen Milliardenbetrag - auch zur Finanzierung von Kampagnen.

 Die Kampagne der Deutschen Umwelthilfe gegen Feinstaub kostete die EU 521.834 Euro.

Die Kampagne der Deutschen Umwelthilfe gegen Feinstaub kostete die EU 521.834 Euro.

Foto: picture alliance / Bernd Weißbro

1,2 Milliarden Euro sind kein Kleingeld. Eben diese Summe hat die EU 2015 den sogenannten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) als Fördergelder gezahlt. 60 Prozent der Mittel flossen an 20 Organisationen. Nur – wohin genau? Und für was? Der Europaabgeordnete Markus Pieper (CDU) will nun mit einem Antrag im Haushaltskontrollausschuss des Europa-Parlaments mehr Transparenz bei der Verteilung der EU-Mittel erreichen.

Da ist zum Beispiel die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Sie soll von August 2016 bis November 2019 exakt 521 834 Euro für eine Kampagne von der EU-Kommission bekommen. Damit umfassen die Zuschüsse aus Brüssel mehr als die Hälfte der Kosten des gesamten Projektes, die auf 869 936 Euro veranschlagt werden.

Mit dem Geld verfolgt die Kommission klare Ziele. Es geht darum, die Öffentlichkeit in Deutschland und anderswo zu sensibilisieren für Verstöße gegen die EU-Regeln für saubere Luft. In Stuttgart, Berlin, Düsseldorf und anderen deutschen Städten ist das hoch aktuell: Es laufen Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland, Italien und andere Länder, weil Grenzwerte für Stickoxid und Feinstaub seit Jahren nicht eingehalten werden.

Das Ziel der DUH-Kampagne ist so formuliert: Sie soll „13 Millionen Bürger in mindestens sieben EU-Ländern erreichen“. Dafür sollen mindestens 200 Artikel in Zeitungen erscheinen, die von zehn Millionen Bürgern gelesen werden. TV und Radio sollen weitere sechs Millionen Menschen erreichen. 100 000 Kontakte im Netz und über Soziale Medien werden angestrebt. Auch 100 „Repräsentanten“ aus EU-Kommission, Parlament, Wirtschaft und Think tanks sollen kontaktiert werden. All dies geht aus den Zielvereinbarungen hervor, die die EU-Kommission mit der DUH geschlossen hat.

Pieper findet es nicht anstößig, dass die Umwelthilfe und andere Geld bekommen. „Ich stehe dazu, dass NGOs öffentliche Unterstützung bekommen.“ viele wichtige Informationen seien aber nur schwer zugänglich, selbst für einen EU-Abgeordneten. „Im Interesse der Steuerzahler muss die Transparenz der Geldflüsse besser werden.“

In seinem Antrag geht Pieper hart mit der Praxis ins Gericht. Der Antrag „verurteilt“, dass das System der EU-Kommission zur Überwachung der Finanzhilfen „Ermessensspielräume bei der Erfassung der Daten zugesteht“. Das System enthalte widersprüchliche Informationen, „Querverbindungen“ könnten nicht hergestellt werden. Eine Gesamtaufsicht fehle. Dies müsse sich ändern: „Die Öffentlichkeit hat Anspruch darauf zu erfahren, wohin das Geld fließt – und zwar projektscharf und bis hin zu jeder Unterorganisation im Mitgliedsland.“

Pieper stellt auch Fragen zur Vergabe von Fördergeldern. „Ist es wirklich in Ordnung, wenn mit EU-Geldern Organisationen gefördert werden, die den Freihandel ablehnen?“ Hintergrund ist eine Seite einer dänischen NGO im Netz, die den Stopp der TTIP-Verhandlungen forderte und mit dem Logo versehen war: „EU-finanziert“. Inzwischen ist die Seite verändert worden, sie ist allerdings in einschlägigen Archiven noch einsehbar. Pieper fordert, es dürften nur noch NGOs Fördergelder bekommen, die sich „nicht gegen handels- und sicherheitspolitischen Ziele der Institutionen der EU richten“.

Zudem wirft Pieper der Kommission vor, mit der NGO-Förderung über ihre Kompetenzen hinaus zu gehen: „Geht es nicht zu weit, wenn NGOs EU-Gelder bekommen, um zu versuchen, auf Abgeordneten im EU-Parlament und nationale Parlamente Einfluss zu nehmen?“

Ansprechpartner für die Kritik ist Piepers Parteifreund, EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU). Der reagiert zurückhaltend: „Wir werden uns die einzelnen Punkte genau anschauen und prüfen, ob und wie diese umgesetzt werden können.“

Lobby Control ist eine NGO mit Sitz in Brüssel, Köln und Berlin, die sich dem Einsatz für mehr Transparenz bei Kontakten zwischen Politik und Wirtschaft verschrieben hat. Nach eigenen Angaben hat Lobby Control noch nie mittel- oder unmittelbar Fördergelder aus Brüssel bekommen. Uli Müller von Lobby Control hält wenig von Piepers Plänen: „Der Antrag muss grundlegend überarbeitet und von seiner Anti-NGO-Stoßrichtung befreit werden.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort