Vernetztes Spielzeug Spione im Kinderzimmer

Berlin · Experten warnen vor ungewollter Datenübertragung aus dem Kinderzimmer: Puppen machen Schleichwerbung, und Roboter funken in die USA.

 Mit dem Internet vernetzte Spielzeuge rufen Datenschützer auf den Plan: Sie fürchten Abhörversuche und Schleichwerbung.

Mit dem Internet vernetzte Spielzeuge rufen Datenschützer auf den Plan: Sie fürchten Abhörversuche und Schleichwerbung.

Foto: dpa

Zu Weihnachten könnte sie die neue Freundin vieler Kinder werden. Cayla ist blond, knapp 45 Zentimeter groß, liebt die Farbe pink, Ballett und die Schule. Sie weiß Millionen Dinge, wie die Hersteller versprechen. Zum Beispiel welches das größte Tier der Welt ist, wie viel fünf Mal zwanzig macht oder dass Deutschland Fußballweltmeister ist.

Cayla ist keine gewöhnliche Puppe, in ihr steckt einiges an Technik. Per Bluetooth verbindet sie sich über Smartphone oder Tablet mit dem Internet. Dort sucht sie dann die passenden Antworten auf die Fragen der Kinder. Leuchtet das Herz, das um ihren Hals hängt, ist sie sprechbereit. Außerdem kann man mit Cayla auf dem Tablet spielen oder Fotos anschauen. Doch Cayla ist nicht irgendein Spielzeug. Sie ist auch auf Datenraubzug im Kinderzimmer.

Das befürchten zumindest Verbraucherschützer. Der norwegische Verbraucherrat hat in einer Studie herausgefunden, dass Dritte per Smartphone ganz einfach die Kontrolle über die Puppe gewinnen können. Damit könnten sie den Gesprächen zwischen Kindern und Cayla folgen und diese aufzeichnen. Hinzu kommt sogenanntes verdecktes Marketing: Laut Experten spricht Cayla gerne darüber, wie sehr sie Disney-Filme liebt. Diese Vorliebe ist aber kein Zufall. Der App-Anbieter hat geschäftliche Beziehungen zu Disney.

Auch in Deutschland sind Produkte wie Cayla, die sprechende Barbie, der Roboter „i-Que“ oder der Lerncomputer von Vtech im Visier von Verbraucherschützern. „Kinder werden als Marketing-Subjekt missbraucht“, sagt Carola Elbrecht, Referentin im Projekt digitale Marktwächter der Verbraucherzentralen. „Es wird erfasst, womit sich die Kinder beschäftigen und die Antworten ausgewertet.“ Das Wissen über Lieblingsfarben, über Kleider, Berufswünsche oder das eklige Mittagessen ist für die Firmen enorm wertvoll. Daraus lassen sich Interessensprofile erstellen und die Daten vermarkten.

Die Nähe zum US-Entertainment Unternehmen Disney halten die Verbraucherschützer für besonders problematisch. Millionen Kinder weltweit sind Fans von Eiskönigin Elsa, Cinderella oder Meerjungfrau Arielle. Nicht nur die Filme spülen viel Geld in die Kassen des Unternehmens, sondern auch Spielzeug, T-Shirts, Handtücher, Schreibwaren, die mit dem Film verkauft werden. Mit der Fangemeinde steigt der Umsatz.

Die Deutschen geben bis zu drei Millionen Euro jedes Jahr für Spielzeug aus. Bisher machen die digitalen Angebote nur einen geringen Teil aus, aber die Nachfrage steigt. Auch Nicole Maisch, Sprecherin für Verbraucherpolitik bei den Grünen, spricht von einem Missbrauch privater Daten zu Werbe- und Marktforschungszwecken im Spielzeugbereich. „In der Regel geschieht dies, ohne dass sich die Kinder oder ihre Eltern dieser Gefahr bewusst sind“, sagt Maisch. „Von Datensouveränität der Nutzer kann nicht mehr die Rede sein.“ Gerade Kinder müssten besser vor Spielzeugen, die als Spitzel für Unternehmen fungieren, geschützt werden.

Kritisch sieht sie auch die Datensicherheit. Der Hackerangriff auf die Telekom oder auch der Datenklau beim Hersteller von Lerncomputern Vtech im vergangenen Jahr sind für die Grünen-Politikerin eindeutige Beispiele dafür, wie zerbrechlich der Schutz der Daten ist. Die Grünen fordern die Bundesregierung auf, beim Datenschutz die Firmen stärker in die Pflicht zu nehmen. Was mit den Daten passiere, müsse den Nutzern klar sein. In Deutschland werden „My Friend Cayla“ und der Roboter „i-Que“ von der Firma Vivid in Nauheim vertrieben, im Auftrag des Herstellers Genesis. Man nehme die Bedenken äußerst Ernst, da die Sicherheit der Verbraucher und ihre Produkterfahrungen oberste Priorität darstellten, teilt das Unternehmen mit.

Derzeit arbeite man mit dem Hersteller zusammen, um die angesprochene Thematik näher zu untersuchen und zeitnah eine konkrete Antwort darauf geben zu können.Verbraucherschützerin Elbrecht will Kinder weder unter eine „Glasglocke setzen“ noch von jeglicher Digitalisierung fernhalten. „Die Spielwelt verändert sich“, sagt die Juristin. „Aber man sollte die Kinder schrittweise an digitale Spielzeuge heranführen.“ Sie appelliert an die Eltern, sich die Datenschutzbestimmungen genau anzuschauen – bevor Puppe, Roboter oder Lerncomputer unter dem Weihnachtsbaum liegen.

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