Folgen von wirtschaftlichen Problemen Jeder zweiten Apotheke droht das Aus

Düsseldorf · Vor allem in den Städten haben Tausende Apotheken wirtschaftliche Probleme, sagt ein Gutachten für die Regierung. Die Apotheker in NRW sind alarmiert.

 7600 Apotheken bundesweit haben wirtschaftliche Schwierigkeiten.

7600 Apotheken bundesweit haben wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Foto: dpa

Bei der Apothekenfinanzierung läuft viel falsch, sagt ein Gutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Demnach sind bundesweit 7600 Apotheken wirtschaftlich gefährdet. Das sind 47 Prozent aller Hauptapotheken. 2600 von ihnen geht es sogar sehr schlecht, sie warfen für ihren Apotheker nur einen Bruttogewinn von durchschnittlich 30 000 Euro im Jahr ab, heißt es in dem unveröffentlichten Gutachten, das unserer Redaktion vorliegt.

Als Angestellter könnte der Pharmazeut doppelt so viel verdienen. Überraschenderweise ist das kein Landproblem. „Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten betreffen insbesondere städtische Kreise“, heißt es weiter. Von den 7600 gefährdeten Apotheken lägen 5300 in Städten und nur 2300 auf dem Land.

Grundlegende Reform der Preisverordnung

Über die Konsequenzen bricht nun Streit zwischen dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium und Krankenkassen auf der einen Seite sowie dem CDU-geführten Gesundheitsministerium und Apotheken auf der anderen Seite aus. Deshalb ist das Gutachten, das längst veröffentlicht sein sollte, weiter unter Verschluss. Denn es empfiehlt eine grundlegende Reform der Arzneimittelpreisverordnung. Die Reform soll Fehlanreize beseitigen, ohne die Versorgung der Bevölkerung zu gefährden.

Unterm Strich sollen Kassen und Beitragszahler dabei um 1,3 Milliarden Euro entlastet werden. So schlagen die Gutachter vor, den Packungszuschlag zu reduzieren. Derzeit erhalten Apotheker 8,35 Euro je Packung rezeptpflichtiger Arzneien. Laut Gutachten reichen auch 5,80 Euro. Allein dadurch würden Apotheken 900 Millionen Euro entzogen. Die Gutachter begründen das damit, dass Apotheker derzeit mit Geld aus dem Verkauf rezeptpflichtiger Medikamente andere Bereiche – verschreibungsfreie Arzneien wie Erkältungsmittel und Ergänzungssortimente wie Kosmetika – quersubventionieren. Zudem sollen Großhandelsrabatte um 230 Millionen Euro und Honorare für die Infusionsherstellung um 210 Millionen gekappt werden.

Apotheken-Schließungen erwünscht

Die Schließung städtischer Apotheken ist durchaus erwünscht: „Eine pauschale Finanzierung wirtschaftlich bedenklicher Apotheken ist nicht zulässig.“ Dies gelte vor allem für städtische Apotheken, „die sich gegenseitig einen ruinösen Wettbewerb liefern“, heißt es im Gutachten. Ein Versorgungsnotstand werde nicht eintreten, die Apothekendichte läge dann auf dem Niveau der Niederlande und Österreichs.

Um die Versorgung auf dem Land sicherzustellen, schlagen die Gutachter aber einen Fonds über 100 Millionen Euro vor. So könnten die häufigeren Nachtdienste auf dem Land und Botendienste entfernter Apotheken honoriert werden. Dann sei auch die Freigabe des Versandhandels, den die EU fordert und den Gesundheitsminister Gröhe verhindern will, kein Problem mehr.

4237 Apotheken in NRW

Die Apotheker sind entsetzt. „Noch haben wir ein dichtes Netz von Apotheken, auch wenn in NRW seit 2005 jede zehnte Apotheke dichtgemacht hat. Wenn nun die Krankenkassen eine Honorarkürzung durchsetzen, wird es zu einer weiteren Ausdünnung kommen“, sagt Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, der auch für den Raum Köln/Bonn zuständig ist. Dann werde die flächendeckende Versorgung nicht wie bisher möglich sein. Deshalb müsse die neue Bundesregierung auch den Versandhandel aus dem Ausland verbieten. Die Zahl der Apotheken sank in NRW bereits auf 4237. Zugleich verweisen die Apotheken auf ihre Rolle als Arbeitgeber: In NRW beschäftigen sie 34 000 Mitarbeiter.

Die gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kann sich eine Reform dagegen gut vorstellen. „Dem Vernehmen nach zeigt das Gutachten, dass die Beitragszahler über eine Milliarde Euro zu viel an die Apotheken bezahlen, ohne dass unser Versicherten dafür Leistungen erhalten“, sagte die Sprecherin des GKV-Spitzenverbands. Mindestens eine Umstrukturierung der Apothekenvergütung sei notwendig, „aber keinesfalls mit einer insgesamt höheren Honorarsumme“. Nun erwarte man gespannt die Veröffentlichung des Gutachtens. Die zieht sich. „Das Gutachten ist noch nicht final abgenommen. Derzeit befinden wir uns im Austausch mit den betroffenen Ressorts“, so das Wirtschaftsministerium.

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