Folge des Trump-Dekrets Google entzieht Huawei die Handy-Dienste

Berlin · Lieferketten werden zur Frontlinie eines neuen kalten Kriegs. Infineon liefert manches auch nicht mehr nach China.

Chinas Technologiesektor beginnt die Abhängigkeit von den USA schmerzhaft zu spüren. Der Telekomkonzern Huawei muss seit Montag um eine wichtige Grundlage für sein Handygeschäft bangen: Google entzieht ihm die Rechte an der Nutzung der eigenen Dienst. Dazu gehören Updates für das kostenlose Betriebssystems Android, aber auch Karten- und E-Mail-Anwendungen. Grund ist ein Dekret von US-Präsident Donald Trump. US-amerikanische Unternehmen brauchen künftig eine Genehmigung, um Technikprodukte an bestimmte chinesische Firmen zu liefern. Darunter fallen neben Software wie Android auch Mi-krochips.

Die Folgen verbreiten sich bereits weltweit durch Lieferketten der Technikbranchen. Auch der deutsche Chiphersteller Infineon musste bereits auf das Trump-Dekret reagieren. Das Unternehmen aus Neubiberg teilte mit, keine in den USA hergestellten Halbleiter mehr an Huawei zu liefern. In Deutschland produzierte Chips seien jedoch nicht betroffen, sagte ein Sprecher. „Aktuell unterliegt die überwiegende Mehrheit der Produkte, die Infineon an Huawei liefert, nicht den gesetzlichen Beschränkungen der US-Exportkontrolle.“

Auch der taiwanische Chiphersteller TSMC gab bekannt, seine Beziehungen zu Huawei zu „überprüfen“. Sowohl der deutsche als auch der taiwanische Anbieter sind zwar nicht im Wirkungsbereich der Trump-Anordnungen beheimatet, doch sie müssen auf ihr US-Geschäft Rücksicht nehmen. Die großen amerikanischen Anbieter Qualcomm, Micron, Western Digital und Qorvo haben ihre Lieferungen an Huawei bereits vollständig eingestellt.

Die Liefersperre kann dem chinesischen Techniksektor ernsthaft schaden. Auch wenn die große Masse der weltweit gebauten Technikprodukte aus China kommt, so sind deren Hersteller doch auf Spezialteile aus westlichen Ländern angewiesen. Dazu gehören beispielsweise die besonders stromsparenden Chips, die gleich mehrere Funktionen wie Prozessor und Grafikausgabe in einem Aufwasch übernehmen. In solchen Chips steckt enormes Wissen, das zudem durch Patente geschützt ist. Am Montag fielen daher die Kurse chinesischer Technik-Werte weltweit an den Börsen.

Im Frühjahr des vergangenen Jahres hatte ein entsprechendes US-Embargo bereits den chinesischen Telekommunikationsausrüster ZTE an den Rand des Ruins getrieben; nur Staatshilfen hielten das Unternehmen am Leben. Erst als Präsident Xi Jinping sich bei Trump persönlich für ZTE einsetzte, ließ dieser die Lieferung notwendiger Chips wieder zu. Trump hat von damals gelernt, dass er die Chinesen durch solche Lieferverbote schnell gefügig machen kann. Der Kampf der US-Regierung gegen Huawei erreicht damit jedoch auch eine neue Qualität. Bisher war nur die Profisparte für Netzwerkanlagen betroffen – jetzt sind die Produkte für den Endverbraucher dran.

Google bemüht sich dem Vernehmen nach bei der Regierung um eine Genehmigung für die weitere Zusammenarbeit mit Huawei. Das Management dort folgt dem Befehl Trumps generell nur ungern. Auch Infineon hat die Lieferungen zunächst nur eingefroren, bis die Lage sich klärt. Branchenbeobachter halten es daher für wahrscheinlich, dass Huawei auch künftig noch Android verwenden kann. Doch der Schuss vor den Bug durch die US-Regierung könnte für China zum Weckruf werden, grundlegende Software künftig selbst zu entwickeln.

Peking wünscht sich ein rein chinesisches Betriebssystem

Ein vollständig chinesisches Betriebssystem für Computer und Handys ist schon lange Wunsch der Regierung. Es laufen mehrere Projekte des Militärs, der Wissenschaftsakademie und an Informatiklehrstühlen von Universitäten. Doch keines der Vorhaben reicht bisher an Windows, Linux oder Android heran, weshalb sich bislang niemand wirklich dafür interessierte. Der neue kalte Krieg im Techniksektor dürfte nun eine starke Motivation liefern, hier Druck zu machen, um zur Marktreife zu gelangen. Ein Problem bleibt jedoch: Ein Betriebssystem ist witzlos, wenn es dafür nicht auch viele Apps gibt. Das große China wäre hier vermutlich weltweit als einziges Land in der Lage, einen App-Store mit eigenen Anwendungen zu füllen.

Die Regierung in Peking könnte zunächst die Entwicklung des eigenen Betriebssystems mit Subventionen fördern und seine Nutzung dann zur Pflicht machen. Für die USA wäre der Schuss dann nach hinten losgegangen: China würde mehr eigene Lösungen entwickeln und wäre ein stärkerer Konkurrent als je zuvor, während die Dominanz des Silicon Valley schwinden könnte. Huawei setzt schon heute deutlich mehr auf eigene Chips als noch vor drei Jahren.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten war die gegenseitige Abhängigkeit der zwei großen Volkswirtschaften USA und China nur ein Thema in Fachkreisen – in der Praxis hat sich kaum jemand daran gestört. Die Blöcke standen sich zwar in Systemkonkurrenz gegenüber, doch die Beziehungen galten als stabil – gerade wegen der gegenseitigen Abhängigkeit. China ist der größte Kreditgeber der USA, während dieser der größte Abnehmer chinesischer Waren sind. Jetzt wird die Abhängigkeit zum Thema – und sie geht in beide Richtungen. Praktisch alle Endgeräte von US-Firmen wie Apple und HP sind in China gefertigt. Eine gegenseitige Liefersperre hätte daher enorme Folgen für die Weltwirtschaft.

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