Abgasskandal Erst Razzia, dann Bilanzvorlage

Ingolstadt · Die Abgasaffäre ist nun mit voller Wucht angekommen. Dutzende Staatsanwälte durchsuchten mehrere Audi-Standorte und die VW-Zentrale.

Der Satz sollte sich schmerzhaft bewahrheiten, noch bevor Audi-Chef Rupert Stadler ihn aussprechen konnte. „Der Weg des Aufarbeitens ist noch lange nicht abgeschlossen“, steht in seinem Redemanuskript zur Präsentation der Audi-Jahreszahlen am Ingolstädter Firmensitz. Gut drei Stunden vor den eingeladenen Journalisten erschien dort aber überraschend unangemeldeter Besuch. Im Zuge mehrerer Razzien haben Staatsanwälte beginnend in den frühen Morgenstunden nicht nur die Audi-Konzernzentrale, sondern auch den baden-württembergischen Standort Neckarsulm sowie sieben weitere Ort in Deutschland durchsucht. Das Vorgehen stehe im Zusammenhang mit der Audi-Abgasaffäre, erklärte die dafür verantwortliche Münchner Staatsanwaltschaft.

Damit ist aus dem VW-Skandal um manipulierte Abgaswerte endgültig auch in strafrechtlicher Hinsicht einer der Ingolstädter Premiumtochter geworden. Bislang haben Staatsanwälte nur in Braunschweig gegen die Konzernmutter VW ermittelt. Nun ist auch Audi dran und zwar wegen Betrugsverdacht und mutmaßlich strafbarer Werbung.

Fahrzeuge vom Baujahr 2009 bis 2015 betroffen

Dieser Vorwurf beziehe sich auf rund 80 000 Fahrzeuge mit von Audi entwickelten Drei-Liter-Dieselmotoren, die zwischen 2009 und 2015 in den USA verkauft wurden, sagt die Staatsanwaltschaft München. Diese großen Motoren hat Audi für den VW-Konzern auch für die Marken VW und Porsche entwickelt und zwar nach dem Vorbild kleinerer VW-Motoren inklusive illegaler Abschaltvorrichtung für das Abgasreinigungssystem.

Das hat VW jüngst gegenüber US-Behörden gestanden, was nun auch bayerische Ermittler gegenüber Audi hat aktiv werden lassen. In Europa verkaufte Autos seien nicht Gegenstand der Razzien und weiteren Ermittlungen, betont die Staatsanwaltschaft München. Denn nach Auskunft des deutschen Kraftfahrtbundesamts habe hier zu Lande keine unzulässige Beeinflussung von Abgaswerten festgestellt werden können. Mit den Durchsuchungen wollen die Staatsanwälte klären, welche Personen genau an Entwicklung und Einsatz der Betrugssoftware beteiligt waren. Vorerst richten sich die Ermittlungen noch gegen Unbekannt und damit auch bislang nicht gegen einzelne Audi-Manager.

Audi will mit Behörden kooperieren

Als Stadler zur Bilanzvorlage das Podium erklommen hatte, war damit eine Abweichung vom Redetext vorprogrammiert. „Wir kooperieren vollumfänglich mit den Behörden und haben selbst das größte Interesse an einer Aufklärung“, erklärte der Audi-Chef aus aktuellem Anlass. Weder zu den Hintergründen noch zum Zeitpunkt der Razzia wollte er etwas sagen. Eine Razzia vor versammelter Journalistenschaft parallel zur Präsentation von Jahreszahlen hat es hier zu Lande bei einem Großkonzern noch nicht gegeben. Normalerweise greifen Ermittler aber auch nicht zum Instrument einer Razzia, wenn Unternehmen wirklich voll umfänglich kooperieren. Durchsucht wurde zudem die Wolfsburger Firmenzentrale der Konzernmutter. Insidern zufolge betrafen die Razzien durch bundesweit rund 70 Staatsanwälte und Polizisten auch mehrere Privatwohnungen.

Stadler selbst ist davon wohl verschont geblieben. „Ich habe keinen Besuch gesehen und auch meine Frau hat nicht angerufen“, erklärte der Audi-Chef auf eine entsprechende Frage. Äußerlich gab er sich unberührt von Razzia und Betrugsvorwurf. Wer abseits von Podium und Scheinwerferlicht in die Gesichter führender Audianer schauen konnte, blickte in versteinerte Mienen und auf verkniffene Lippen. Zu Details der Razzien wollte sich bei Audi niemand äußern.

Noch keine Ergebnisse bekannt

Ihre Auswirkungen sind noch völlig unklar. Auch die Ermittlungen der Braunschweiger Staatsanwaltschaft gegen Konzernmutter VW hatten vor eineinhalb Jahren gegen Unbekannt begonnen und konzentrieren sich nun auf mehrere persönlich Beschuldigte. Bei VW ist auch längst der ehemalige Konzernchef Martin Winterkorn wegen der Abgasaffäre – ohne Schuldeingeständnis oder Belege für eine persönliche Verwicklung in die Affäre – zurückgetreten.

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