Brüssels Pläne für britische Banken Deutliche Warnungen für London

Brüssel · Die EU will die Geldhäuser auf der Insel auch nach dem Brexit kontrollieren.

Die Zeit der Freundlichkeiten ist vorbei. Diesseits und jenseits des Kanals rüsten die Brexit-Verhandlungspartner derzeit zumindest verbal auf. Zwar bemühte sich Michel Barnier, der von den 27 EU-Staats- und Regierungschefs zum Leiter der europäischen Gesprächsdelegation ernannt worden war, gestern in Brüssel noch um verbindliche Töne.

Doch als der frühere französische Außenminister und ehemalige EU-Binnenmarkt-Kommissar am Mittwoch die Details seiner Strategie präsentierte, schickte er auch deutliche Warnungen nach London. Großbritannien müsse für alle finanziellen Verbindlichkeiten „geradestehen“, die es als EU-Mitglied eingegangen sei. „Es handelt sich weder um eine Bestrafung noch um eine Austrittssteuer.“ Aber eben um „Verpflichtungen“.

Bisher war von rund 60 Milliarden Euro die Rede, die die Union vom Vereinigten Königreich haben will. Inzwischen heißt es, Deutschland und Frankreich hätten die Forderungen für laufende Programme und sonstige Zusagen für EU-Institutionen und –Tätigkeiten auf 100 Milliarden Euro erhöht. Londons Brexit-Minister David Davis lehnte solche Summen dagegen in einem TV-Interview strikt ab. Man werde bezahlen, wozu man gesetzlich verpflichtet sei, und „nicht das, was die EU will“. Davis: „Wir sind keine Bittsteller.“

Die Stimmung im Vorfeld der ersten Gesprächsrunde im Juli wird noch zusätzlich durch einen Plan der EU-Kommission angeheizt, den diese im Juni vorlegen will. Demnach soll die Abwicklung von Euro-Derivaten (Clearings) künftig der Kontrolle der EU unterliegen. Großbritanniens Finanzinstitute müssten sich der Überwachung der EU-Institutionen unterwerfen – oder ihre Clearing-Aktivitäten auf den Kontinent verlagern.

Experten in Brüssel sagten, damit werde Londons schlimmster Albtraum wahr, von dem bis zu 80 000 Jobs der britischen Finanzbranche betroffen sein könnten. In dem Dokument, dessen erste Inhalte jetzt bekannt wurden, sollen für Banken außerhalb der EU „spezielle Vorkehrungen“ getroffen werden, falls sie „systemische Bedeutung für die EU-Finanzmärkte“ haben. „Dazu gehören, falls nötig, die direkte Beaufsichtigung auf EU-Ebene und/oder Standortvorgaben“.

Vor allem Frankreich, das den zweitgrößten Clearing-Markt in der Union hat, forderte bereits in der Vergangenheit, die entsprechenden Aktivitäten aus dem Nicht-Euro-Land Großbritannien abzuziehen und in die Währungsunion zu verlegen. Dass ein solcher Vorstoß unmittelbar vor dem ersten Treffen der Unterhändler aus London und Brüssel für Zündstoff sorgen würde, liegt auf der Hand.

Barnier will aber vorrangig über die auf der Insel lebenden EU-Ausländer reden. „Das ist unsere Priorität“, erklärte er. Die Betroffenen müssten in Großbritannien „für den Rest ihres Lebens weiterleben können wie heute“. Dazu zählten deshalb der Zugang zum Arbeitsmarkt, zur Gesundheitsversorgung und dem Erziehungssystem.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort