Experten erwarten hartes Verfahren Autokonzerne unter Kartellverdacht

Berlin · Die Anleger sind sich schon mal einig: Die Verlierer beim Autokartell sind Volkswagen und BMW, Daimler kommt dank seiner rechtzeitigen Selbstanzeige womöglich mit einem blauen Auge davon.

 Untersuchung eines Mercedes-Fahrzeugs durch den TÜV: Anleger mutmaßen schon, dass Daimler wegen der Selbstanzeige mit einem blauen Auge davonkommen könnte.

Untersuchung eines Mercedes-Fahrzeugs durch den TÜV: Anleger mutmaßen schon, dass Daimler wegen der Selbstanzeige mit einem blauen Auge davonkommen könnte.

Foto: picture alliance / Julian Strate

Die Anleger sind sich schon mal einig: Die Verlierer beim Autokartell sind Volkswagen und BMW, Daimler kommt dank seiner rechtzeitigen Selbstanzeige womöglich mit einem blauen Auge davon. Und so gingen die Aktienkurse von Volkswagen und BMW am Dienstag den dritten Tag in Folge zeitweise auf Talfahrt, der Daimler-Kurs notierte dagegen knapp im Plus. „Mal abgesehen von den möglichen Milliardenstrafen schätzen wir vor allem das Reputationsrisiko sowie eine etwaige Regulierungswelle für die Branche als die größeren Risiken ein“, sagte Clemens Bundschuh, Analyst der Bank LBBW.

Die Unternehmen stehen im Verdacht, über Jahrzehnte Standards, Märkte und Strategien abgesprochen zu haben. Daimler und VW sollen 2016 eine Art Selbstanzeige eingereicht haben – Daimler aber vor VW, was für den Rabatt bei einer möglichen Kartellstrafe entscheidend ist. Die EU-Kommission führt das Verfahren durch.

Der Düsseldorfer Kartellexperte Justus Haucap rechnet mit einem scharfen Verfahren. „Ich erwarte ein recht rigoroses Durchgreifen der Kartellbehörden sowohl angesichts der anscheinend langen Laufzeit des Kartells als auch angesichts der Tatsache, dass einige der Kartellanten Wiederholungstäter wären – wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten sollten“, sagte Haucap unserer Redaktion. Zugleich lobte er die Kronzeugenregelung, die beteiligte Unternehmen dazu bringe, sich zu offenbaren: „Die Kronzeugenregel hat sich als das effektivste Instrument der Kartellbekämpfung erwiesen, wie auch dieser Fall wieder zeigt. So kommen viele Kartelle erst ans Tageslicht.“

Forderung, das Diesel-Privileg bei der Energiesteuer fallen zu lassen

Durch den Abgasskandal und die Debatte um das Autokartell kommt auch der Diesel weiter unter Druck, zumal der Staat den Diesel jahrzehntelang gefördert und so die Anstrengungen der Branche in eine falsche Richtung gelenkt hat. Haucap fordert nun, das Diesel-Privileg bei der Energiesteuer fallen zu lassen: „Die privilegierte Behandlung von Diesel ist ordnungspolitisch nicht zu rechtfertigen und sollte beendet werde.“

Auch in der Politik wächst die Kritik. Die Grünen haben Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, personelle Konsequenzen aus den jüngsten Enthüllungen über mögliche Absprachen deutscher Autobauer zu ziehen. „Verkehrsminister Alexander Dobrindt ist längst Teil des Skandals und gehört entlassen“, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Erst habe die Regierung jahrelang weggesehen, dann habe Dobrindt das Thema ausgesessen und nun wolle er vom jahrelangen Autokartell nichts mitbekommen haben. Für die Grünen steht fest, dass das Kartell nur entstehen konnte, weil die Autobauer gewusst hätten, dass sie nicht kontrolliert würden.

Geringe Erwartungen an den Dieselgipfel in Berlin

Wenig erwarten die Grünen vom nationalen Dieselgipfel in Berlin. Im Vorfeld entstehe der Eindruck, „dass hier nur das Kartell auf die Politik ausgedehnt werden soll, um den Niedergang des Diesels irgendwie noch aufzuhalten“, erläuterte Krischer.

Auch SPD-Fraktionsvize Sören Bartol besteht auf der Pflicht der Hersteller zur Nachrüstung. „Diejenigen, die in gutem Glauben Dieselfahrzeuge erworben haben, darf das nichts kosten“, unterstrich Bartol. Im Vorfeld des Treffens von Bundes- und Landesregierungen mit den Autokonzernen nächsten Mittwoch in Berlin mahnte er eine größere Transparenz an.

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