Wirtschaft in China Trügerisches Wachstum

Peking · Chinas Wirtschaft bleibt nur dank eines Immobilienbooms stabil. Ökonomen halten die Entwicklung allerdings nicht für gesund.Seit der Finanzkrise pumpt die Regierung der zweitgrößten Volkswirtschaft Geld in die Wirtschaft.

Der Immobilienmarkt läuft heiß, die Schuldenquote schießt in die Höhe, auch die Überkapazitäten verharren auf hohem Niveau. Trotz oder wahrscheinlich wegen dieser Gründe ist die chinesische Wirtschaft nach Angaben des Statistikamts im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,7 Prozent gewachsen.

Dieser Wert deutet zwar auf eine Stabilisierung hin. Analysten sind dennoch skeptisch. „Die Regierung will ihr Wachstumsziel erreichen und nimmt deshalb qualitativ schlechtes Wachstum in Kauf“, kritisiert der Pekinger Ökonom Hu Xingdou. Er hält die Entwicklung daher für „nicht gesund“. Auch das Statistikamt spricht von „vielen Unsicherheitsfaktoren“. Die Basis für ein anhaltendes Wachstum sei „nicht solide“. Nach zwei Jahrzehnten fast durchgehend zweistelligen Wachstumsraten läuft es mit der chinesischen Volkswirtschaft seit einiger Zeit nicht mehr rund. Seit 2012 gehend die Raten stetig zurück. Für das Gesamtjahr 2016 hat sich die chinesische Regierung zwar ein Wirtschaftswachstum zwischen 6,5 und sieben Prozent zum Ziel gesetzt. Das ist allerdings der niedrigste Wert seit mehr als 25 Jahren.

Das Problem ist gar nicht so sehr die Rate an sich; die meisten Länder würden sich über einen so hohen Wert freuen. Sorge bereitet, auf welche Weise die chinesische Führung versucht, Wachstum zu schaffen. Seit der Weltfinanzkrise von 2008 pumpt sie mit einer lockeren Kreditvergabe und Konjunkturpaketen gigantische Mengen Geld in die Wirtschaft. Das hat zwar China vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch bewahrt. Doch Chinas Führung hält an dieser lockeren Geldpolitik weiter fest und bläht die Wirtschaft auf diese Weise künstlich auf. Die Folgen: Überkapazitäten, überhitzte Märkte und gewaltige Schuldenstände. Zugleich möchte China den Anteil seiner umweltbelastenden Schwerindustrie drastisch verringern, seine unprofitablen Staatsunternehmen reformieren und sich auch wegbewegen von der Herstellung billiger Konsumartikel für den Rest der Welt. Chinesische Unternehmen sollen stattdessen stärker auf Dienstleistungen und High-Tech-Produkte setzen.

Dieser Strukturwandel erweist sich jedoch als schwierig – zumal auch der chinesische Außenhandel stockt. In US-Dollar gerechnet sind die Exporte nach einer leichten Stabilisierung im Frühjahr im September um mehr als zehn Prozent eingebrochen. Um den Abbau der Schwerindustrie und den Einbruch der Exportwirtschaft zu kompensieren, hat die chinesische Führung in den vergangenen Jahren eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die die Konjunktur ankurbeln sollten – jedoch für zusätzliche Turbulenzen sorgten. Nachdem die Regierung in der ersten Hälfte 2015 ihre Bürger ermuntert hatte, trotz schwächelnder Realwirtschaft in Aktien zu investieren, sind die chinesischen Aktienmärkte in den darauffolgenden Monaten gleich mehrfach abgestürzt.

Dem chinesischen Aktienmarkt trauen die meisten von ihnen nicht mehr. Umso mehr setzen sie auf den Kauf von Immobilien. Die Wohnungspreise sind in den meisten chinesischen Großstädten innerhalb von einem Jahr um 20 Prozent in die Höhe geschossen. In einigen Metropolen wie Schanghai und Shenzhen lag der Jahresanstieg bei 44 beziehungsweise 55 Prozent. Das kurbelt zwar den Häusermarkt an und erklärt auch das Wirtschaftswachstum. Doch auch die Schuldenberge sind seitdem kräftig gewachsen. Die Privatverschuldung in China hat innerhalb von einem Jahr um mehr als 60 Prozent zugelegt.

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