"Die aktuellste Autobahnkarte der Welt"

Testfahrt mit einem Toll-Collect-Messfahrzeug - Wie der Mautbetreiber seine Daten über das Straßennetz erhält - Informationen werden in Bonn gesammelt und ausgewertet

  145 000 Lkw  nehmen derzeit am Testversuch zur Mauterhebung teil. Seit Freitag ist der geplante Starttermin 1. Januar 2005 gesetzlich geregelt. Der Bundesrat stimmte zu, dass die Gebührenerhebung für Lkw auf deutschen Autobahnen beginnen kann.

145 000 Lkw nehmen derzeit am Testversuch zur Mauterhebung teil. Seit Freitag ist der geplante Starttermin 1. Januar 2005 gesetzlich geregelt. Der Bundesrat stimmte zu, dass die Gebührenerhebung für Lkw auf deutschen Autobahnen beginnen kann.

Foto: dpa

Bonn. Schon seit dreieinhalb Jahren ist Charlie Martin mit seinen Leuten kreuz und quer auf Deutschlands Autobahnen unterwegs. Jede nur mögliche Fahrspur eines Lkw ist hat er simuliert und sie auf seiner digitalen Straßenkarte gespeichert.

Bei Toll Collect leitet Martin die Abteilung "Grunddaten". 30 Fahrer fahren fast täglich die 24 000 Autobahnkilometer ab und dokumentieren jede Änderung. Ihre Heimatbasis aber haben sie in Bonn.

Am Standort Bonn von Toll Collect sitzt der Vertrieb für die Fahrzeuggeräte des automatischen Systems, die so genannten On-Board-Units", kurz OBUs. Hier werden vor allem Großkunden betreut, Speditionen, die gleich größere Mengen von Endgeräten bestellen.

Rund 150 Mitarbeiter sind hier beschäftigt. Und von hier aus werden die aktuellen Daten der Messfahrer an die OBUs in den Lastwagen und an die Mautterminals gesendet. Eine neue Baustelle, eine Autobahn wird von zwei auf drei Spuren erweitert - den Toll-Collect-Messfahrern entgeht nichts.

In einem Rhythmus von zehn Wochen kontrollieren die Mitarbeiter der Bonner Abteilung jeden Streckenabschnitt. Und das schon bevor die Einführung der Lkw-Maut immer wieder verschoben und dann am Ende ganz abgesagt wurde.

"Wir wissen im Idealfall vier Monate im voraus, wo und wann sich im Autobahnnetz etwas ändert", sagt Martin jetzt. Spätesten sechs Wochen sollte die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) die Baustellen und neuen Streckenabschnitte an Toll Collect gemeldet haben.

Die Fahrer vermessen neue Autobahnstrecken schon, wenn sie noch gar nicht für den Verkehr freigegeben sind. Unterwegs sind sie mit speziellen Fahrzeugen. Die silbergraue Mercedes A-Klasse mit den rot-weißen Streifen ist eigentlich ein Lkw mit über zwölf Tonnen Gewicht und vier Achsen.

So wird es jedenfalls in der OBU, angezeigt, die in das Messfahrzeug eingebaut ist und "Messfahrzeug" steht auch auf der Heckscheibe. Aber das ist noch nicht alles: ein GPS-Sender auf dem Dach, ein Sensor am Tacho, ein Gerät, dass jeden Richtungswechsel aufzeichnet, und ein PC.

Der kleine Mercedes ist ein mobiles Maut-Labor. Jetzt rollt der Mercedes über die im Feierabendverkehr dicht befahrene Berliner Stadtautobahn auf die Anschlussstelle Kurfürstendamm zu.

Um jede Ausfahrt haben Martins Mitarbeiter einen digitalen Kreis gezogen, verlässt das Fahrzeug die Autobahn Richtung Stadt, sollte die OBU piepsen und "TC-Mautfrei" anzeigen. Fährt man weiter bis Dreieck Funkturm, dann wird der nächste Streckenabschnitt eingebucht.

Wir wollen weiter zum Funkturm und es piepst. 13 Cent kostet dieses kurze Teilstück der A 100. In 5 300 solcher Abschnitte sind die deutschen Autobahnen eingeteilt. Die Maut wird berechnet je nach Streckenlänge, Schadstoffklasse und Achszahl des Lkw.

Zwischen neun und 14 Cent wird ein Kilometer kosten, die genaue Mauttabelle legt der Bund noch fest. Am Ende aber muss die Abrechnung stimmen, sonst gibt es Ärger und Reklamationen.

"In der OBU muss aber immer für alle gleich der exakte Streckenverlauf hinterlegt sein, so dass die Maut immer korrekt abgebucht wird", betont Martin. Alle vier Wochen füttern die Toll-Collect-Leute die OBUs per Handy-Signal mit den neuesten Daten.

Martin: "Wir haben die aktuellste deutsche Autobahnkarte weltweit." Wegen des dichten Straßennetzes in manchen Ballungsgebieten wie in Berlin oder im Ruhrgebiet muss das System auch alle Parallelstraßen zur Autobahn erfassen.

Weil das Satelliten-System GPS nicht immer genau arbeitet, soll so verhindert werden, dass auch Lkw erfasst werden, die neben der Autobahn auf einer nicht mautpflichtigen Straße fahren.

Der silbergraue Mercedes fährt inzwischen auf der A 115 weiter Richtung Potsdam. Neben der Autobahn oder an Brückengeländern sind hier so genannte Stützbaken angebracht, kleine weiße Kästen, die wie Flutlichtlampen aussehen.

Sie überprüfen per Infrarotsignal zusätzlich die Position der Lkw. Im Ballungsraum Berlin stehen wegen der vielen Nebenstraßen 60 Stützbaken, auf der unproblematischen Strecke Stuttgart-Bonn aber keine einzige.

Und weil in Deutschland immer wieder neue Autobahnen gebaut und an bestehenden herumgebastelt wird, werden Martins Mitarbeiter so schnell nicht arbeitslos. "In den nächsten zwölf Jahren haben wir genug zu tun", sagt Martin.

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