Legalisierung von Cannabis Auf der Jagd nach dem grünen Gold

Washington · Egal, ob Donald Trump oder Hillary Clinton demnächst im Weißen Haus sitzt: Das Volk, das sie regieren, wird möglicherweise so relaxt sein wie selten zuvor. Neun Bundesstaaten entscheiden am 8. November neben der Präsidentenfrage in Volksabstimmungen über die weitere Legalisierung von Marihuana.

 Umfragen zeigen, dass inzwischen 60 Prozent der Amerikaner das noch bundesweit geltende Cannabis-Verbot für überholt halten.

Umfragen zeigen, dass inzwischen 60 Prozent der Amerikaner das noch bundesweit geltende Cannabis-Verbot für überholt halten.

Foto: picture alliance / dpa

Weil Umfragen zeigen, dass inzwischen 60 Prozent der Amerikaner das noch immer bundesweit geltende Cannabisverbot für überholt halten, vor zehn Jahren waren es nur 32 Prozent, gehen die Befürworter von einer „riesigen Schubwirkung“ für das Geschäft mit dem „grünen Gold“ aus. Marktanalysten sagen voraus, dass der Umsatz mit Joints und „Edibles“, essbare High-Macher wie Schokoriegel oder Kuchen, von heute 5,5 Milliarden Dollar bis Ende des Jahrzehnts auf 23 Milliarden Dollar wachsen wird. Investoren winken gewaltige Gewinnen, der Fiskus kann sich über zusätzliche Steuereinnahmen freuen. Bisher haben nur die Bundesstaaten Washington, Oregon, Alaska und Colorado sowie die Hauptstadt Washington DC die Droge unter strikten Auflagen als Genussmittel freigegeben.

Wie so oft sind die Augen vor dem Wahltag vor allem auf Kalifornien gerichtet. Vor sechs Jahre schrammte im bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat (40 Millionen Einwohner) der Antrag auf Entkriminalisierung von Kiffern und ihrer Ware an der Mehrheit vorbei. Sollten die Wähler an der Westküste grünes Licht geben, sagte Richard Baca dieser Zeitung, „dann ist der Zug in ganz Amerika nicht mehr aufzuhalten.“ Der ausschließlich für Marihuana-Themen zuständige Zeitungsredakteur arbeitet für die „Denver Post“ in Colorado. Er gilt durch seine Internetseite www.thecannabist.co weltweit als Instanz, seit der Bundesstaat in den Rocky Moutains am 1. Januar 2014 mit der Pionierarbeit begann: Strikt kontrollierte Freigabe.

Im Großraum Denver hat sich in nicht einmal 24 Monaten eine hoch diversifizierte Industrie mit Tausenden Arbeitsplätzen entwickelt, die vom Marihuana-Anbau über den Verkauf in lizenzierten Läden bis hin zum touristischen Lifestyle-Produkt (Kiffer-Touren mit Chauffeur in Luxuslimousinen) die komplette Verwertungskette abdeckt.

Als Hindernis steht nach wie das auf Bundesebene geltende Cannabisverbot im Raum. Es lässt Banken bei der Kreditvergabe zögern. Investoren, „Ganjapreneure“ genannt, stehen unter latentem Geldwäscheverdacht. Weil Marihuana-Unternehmer lange Zeit in Colorado keine Konten eröffnen konnten, wurden sämtliche Geschäfte in bar abgewickelt. Julie Dooley, dreifache Mutter und Herstellerin von Öko-Schokokuchen, Müsli-Riegeln und Butter mit dem Wirkstoff Cannabis-Wirkstoff THC, hat darum in ihrem Betrieb in Denver inzwischen „den zweiten großen Tresor stehen“. Allein 2015 wurden in Colorado laut Finanzbehörden eine Milliarde Dollar mit Marihuanaprodukten umgesetzt.

Für den Fiskus fielen dabei Steuereinnahmen von rund 120 Millionen Dollar ab. Ein großer Teil davon fließt gesetzlich zweckgebunden in die Ertüchtigung der Schullandschaft. Für 2016 wird mit Umsätzen von 1,5 Milliarden Dollar gerechnet. Neben Kalifornien steht am 8. November die Legalisierung von Marihuana als Genussmittel noch in Arizona und Nevada sowie in den Ostküstenstaaten Maine und Massachusetts auf dem Stimmzettel. Befürworter haben fast überall in Umfragen leicht die Nase vorn. Konservative Kritiker wollen dagegen den „Sündenfall“ nicht zulassen und mobilisieren im Internet wie in Zeitungsanzeigen. Wähler in Arkansas, Florida, Montana und North Dakota entscheiden über die Frage, ob in ihren Staaten Kiffen auf Krankenschein erlaubt sein soll; etwa bei Krebs oder chronischen Gelenkschmerzen.

Sollten alle neun Bundesstaaten den Weg für eine Liberalisierung freimachen, wäre Marihuana in den USA de facto für fast ein Viertel der Bevölkerung legal. Eine Marktaussicht, die vom Alt-Hippie bis zum Wagniskapitalisten immer mehr Interessenten anzieht. Inzwischen gibt es einen Aktienindex für die Branche. Im MJIC („Marijuana Index Global Composite“) sind Firmen aufgeführt, die vor allem mit Therapiemitteln auf Marihuanabasis punkten wollen.

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