Evonik-Chef im GA-Interview Christian Kullmann: Evonik war bislang zu brav

Essen · Evonik-Chef Christian Kullmann spricht im GA-Interview kurz vor dem zehnjährigen Bestehen des Unternehmens über geplante Zukäufe und den Aktienkurs des Unternehmens.

 Evonik-Chef Christian Kullmann bei der Bilanzpressekonferenz in Essen.

Evonik-Chef Christian Kullmann bei der Bilanzpressekonferenz in Essen.

Foto: picture alliance / Bernd Thissen

2003 begannen Sie als Sprecher des Evonik-Vorgängers RAG. Nun sind Sie Chef des zweitgrößten deutschen Chemiekonzerns. Kann das gut gehen?

Kullmann: Die Arbeit war die beste Voraussetzung, weil man als Sprecher die Dinge nur gut erklären kann, wenn man sie selbst verstanden hat. Und beim Sprecher wie beim Vorstandsvorsitzenden geht es vor allem um zwei Dinge: Kommunikation und Strategie.

Wie waren Sie als Schüler in Chemie?

Kullmann: Für befriedigend hat es gereicht. Doch für die Chemie gibt es hier im Konzern viele kluge Menschen. Im Vorstand etwa sorgt Harald Schwager für den chemischen Sachverstand.

Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger Klaus Engel?

Kullmann: Evonik schreibt gute Zahlen und ist in einer starken Position. Nun will ich zusammen mit meinem Team das Unternehmen noch besser machen. Evonik soll der beste Spezialchemie-Konzern der Welt werden.

Gemessen woran? Wen wollen Sie vom Thron stoßen?

Kullmann: In der Spezialchemie tummeln sich viele Anbieter, große und kleine. Es gibt nicht den einen großen Konkurrenten, sondern jeweils Unternehmen, die in einzelnen Bereichen spitze sind. Also messen wir uns in solchen Geschäften, in denen wir noch nicht an der Spitze stehen, jeweils mit dem Besten.

Was muss konkret anders werden bei Evonik?

Kullmann: Wir wollen unsere Ziele nicht nur klar definieren, sondern sie dann auch konsequent umsetzen und durchsetzen. Evonik war bislang zu brav.

Zu brav bei Zukäufen?

Kullmann: Zum Beispiel. Auf der Suche nach Zukäufen haben wir die Vor- und Nachteile manchmal so lange analysiert, bis die Gelegenheit verstrichen war. Oder wir haben den Sack nicht zugemacht, weil niemand das Risiko tragen wollte. Zugleich hatten wir eine hohe Erwartung am Kapitalmarkt geweckt, die wir nicht sofort erfüllen konnten. Umso erfreulicher war es dann, dass uns 2016 gleich zwei größere Zukäufe in den USA gelungen sind. Mit der Additivsparte von Air Products und dem Silicageschäft von JM Huber ist Evonik in diesen Geschäften nun in der Weltspitze.

Das war nötig. So wie Lanxess einseitig am Kautschuk hängt, so hängt Evonik einseitig an Methionin, das in der Tiermast verwendet wird. Methionin ist Ihr Kautschuk.

Kullmann: Nein, das ist falsch! Mit den jüngsten Übernahmen haben wir unsere Abhängigkeit vom Methionin deutlich gesenkt. Das gesamte Methionin-Geschäft macht weniger als 15 Prozent vom Evonik-Umsatz aus. Zudem ist der Methionin-Markt ein attraktiver Wachstumsmarkt. Mit dem wachsenden Wohlstand der Schwellenländer wächst auch dauerhaft die Nachfrage nach Fleisch. Unser Methionin-Geschäft ist und bleibt profitabel.

Was kommt als nächste Übernahme? Ein ganz großes Ding wie Bayer/Monsanto?

Kullmann: Für uns ist Größe an sich nicht entscheidend. Wir interessieren uns für Übernahmen, mit denen wir nachhaltig und profitabel wachsen können.

Sie sagen, Evonik war zu brav. Gilt das auch für Kostensenkungen?

Kullmann: Es geht doch hier nicht um brav oder wild. Es geht darum, das Unternehmen besser zu machen, mit Augenmaß und Weitblick. Richtig ist: In manchen Bereichen haben wir tatsächlich hohe Kosten. Das gilt auch, aber eben nicht nur für die Verwaltung. Wir analysieren das gerade im Rahmen unserer Budgetplanung für 2018.

Wie viele der 36 000 Evonik-Arbeitsplätze werden wegfallen?

Kullmann: Betriebsbedingte Kündigungen wird es mit mir nicht geben. Evonik ist doch nicht in der Krise. Das Unternehmen ist gut, jetzt machen wir es besser.

Wird die Digitalisierung Arbeitsplätze in der Branche kosten?

Kullmann: Die Digitalisierung ist für die chemische Industrie Herausforderung und Chance zugleich. Mit der Digitalisierung können wir schneller, besser und spezifischer werden. Das reicht vom Vertrieb über die Steuerung von chemischen Anlagen bis zu neuen Vertriebsmodellen.

An der Börse spielt derzeit Evonik nicht gerade vorn: Der Aufstieg in den Dax ist bis heute nicht gelungen.

Kullmann: Der Dax ist doch kein Wert an sich! Worauf es uns ankommt, ist nachhaltiges und profitables Wachstum. Dafür ist die Frage nach Dax oder MDax erst einmal irrelevant.

Aber auch Ihr Börsenkurs ist eine Enttäuschung für die Anleger: 2013 kam Evonik zu 33 Euro an die Börse, derzeit notiert die Aktie bei 28 Euro. Wie wollen Sie das ändern?

Kullmann: Natürlich bin ich mit dem Kurs nicht zufrieden. Tatsächlich spiegelt unser Kurs noch nicht das Potenzial von Evonik wider. Deshalb wollen wir den Markt mit nachhaltigem Wachstum überzeugen.

Können sich die Anleger denn wenigstens für 2017 auf eine steigende Dividende freuen?

Kullmann: Evonik ist bei der Dividendenrendite bereits spitze und Kontinuität bei der Dividende ist für uns ein hoher Wert.

Evonik ist wichtig für NRW. Wie finden Sie die neue Landesregierung?

Kullmann: Der Koalitionsvertrag setzt die richtigen Schwerpunkte. Armin Laschet und seiner Regierung wünsche ich alles Gute.

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