"Der dritte Mann" Geschichten aus der Wiener Unterwelt

Anton Karas hatte eigentlich alles, was er brauchte. Allabendlich trat er nach dem Zweiten Weltkrieg in Wiener Heurigenlokalen auf verhalf den Gästen mit seinem Zither-Spiel zu Ausflügen aus der tristen Nachkriegsgegenwart.

 Für die Wiener Kanalisation war er sich zu fein: Orson Welles als Harry Lime.

Für die Wiener Kanalisation war er sich zu fein: Orson Welles als Harry Lime.

Foto: Studiocanal

Bis 1948 plötzlich der Filmregisseur Carol Reed den Musiker hörte und ihn umgehend in ein Londoner Tonstudio mitnahm. Dort musste der verdatterte Karas seine Improvisationen so lange wiederholen, bis daraus das berühmte "Harry-Lime-Thema" wurde, das inzwischen als musikalisches Markenzeichen des Meisterwerks "Der Dritte Mann" gilt. Carol Reed schrieb mit dem 1949 erstmals aufgeführten Werk Filmgeschichte. Großen Anteil daran hatten Drehbuchautor Graham Greene und die Schauspieler Orson Welles, Joseph Cotton, Trevor Howard und Alida Valli.

Gerade die lieblichen, sich wie Widerhaken im Kopf des Zuhörers festsetzenden Zitherklänge verleihen den expressionistischen Aufnahmen des Kameramanns Robert Krasker aus dem düsteren Nachkriegs-Wien einen bedrohlichen, zugleich morbiden Charme. Kraskers Kamera nimmt die Welt von Schiebern, Spekulanten und finsteren Gestalten auf. Ihr Zuhause sind die Gassen, Abwasserkanäle und Jahrmärkte. In diesem Universum war der geheimnisvolle Harry Lime, verkörpert von Orson Welles, zu Hause. Diesen Mann will der Autor Holly Martins (Cotton) besuchen. Doch daraus wird nichts. Lime ist tot, Martins kommt gerade rechtzeitig zur Beerdigung.

Im Folgenden wird der Fall Harry Lime aufgerollt. Am Ende war er, wie sein Freund Holly Martins herausfindet, ein Gauner, dessen Schwarzhandel mit gepanschtem Penicillin Kinder das Leben gekostet haben soll. Höhepunkt des Thrillers ist eine wunderbare dramaturgische Pointe. Ebenso spannend ist aber auch die komplizierte, unerfüllte Love Story zwischen Martins und Anna Schmidt (Valli). Sie war Limes Geliebte. Auch wenn Joseph Cotton am Ende der Gerechtigkeit zum Sieg verhilft, über dem ganzen Film lastet die Depression und Unsicherheit der Nachkriegszeit, die Carol Reed zu einem spannender Thriller verdichtet hat.

Am 6. Mai 2015 wäre Orson Welles 100 geworden. Jetzt ist bei Arthaus eine "Special Edition" vom "Dritten Mann" auf DVD, Blu-ray und als Video on Demand erschienen. Sie hält, was sie verspricht. Die in brillanter Bildqualität restaurierte Fassung macht die Wiederbegegnung mit dem Schwarz-Weiß-Film zu einem Erlebnis. Einige kurze Szenen, die in der deutschen Synchronfassung bisher fehlten, sind ergänzt worden. Im Audiokommentar kommen ehemalige Mitarbeiter Carol Reeds zu Wort. Regisseure wie Martin Scorsese verneigen sich vor dem einflussreichen Meisterwerk.

Zu den Extras gehört auch Frederick Bakers Dokumentation "Shadowing The Third Man", die in diesem Jahr in Cannes zu sehen war. Baker erzählt die aufregende Entstehungsgeschichte von Graham Greenes und Carol Reeds Film. Orson Welles, der in gerade einmal zehn Prozent des Films, teilweise gedoubelt, zu sehen ist, gebärdete sich am Set als launische Diva, verabscheute die Wiener Kanalisation und schuf doch eine unvergessliche Filmfigur: Harry Lime, charmant und abgründig, verletzlich und verführerisch, einnehmend und eiskalt.

"Der dritte Mann". Special Edition. Digital remastered in 4K. Viele Extras. DVD, Blu-ray und als Video on Demand. Studiocanal/Arthaus.

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