Frauen mit Drogen willig gemacht Das Doppelleben von Bill Cosby kommt ans Licht

WASHINGTON · "Neue Vorwürfe gegen Bill Cosby". Seit vergangenem November war das die Allzweck-Überschrift der Nachrichten-Agenturen, wenn wieder ein weibliches Opfer auftauchte, das Amerikas Fernseh-Vater Nummer eins des perfiden sexuellen Missbrauchs bezichtigte. Jedes Mal kam von Anwälten des schwarzen Multimillionärs sinngemäß der gleiche Konter: Die Frauen lügen. Nachfragen zwecklos.

 Die Legende bröckelt nicht mehr nur, sie fällt: Bill-Cosby-Wandmalerei in Washington.

Die Legende bröckelt nicht mehr nur, sie fällt: Bill-Cosby-Wandmalerei in Washington.

Foto: dpa

Der Beschuldigte selbst, obwohl seither massivem Druck der Öffentlichkeit ausgesetzt und etlicher Verträge mit Sponsoren oder Sendern verlustig gegangen, schwieg eisern. Diese Strategie funktioniert seit gestern nicht mehr. Aus eidesstattlichen Erklärungen des als Dr. Heathcliff "Cliff" Huxtable in den 80er Jahren auch in Deutschland zu TV-Ruhm gekommenen Komödianten geht erstmals eindeutig hervor, was Cosby bisher konstant geleugnet hat.

Danach hat der heute 77-Jährige 2005 im Verfahren gegen die Universitäts-Angestellte Andrea Constand aus seiner Heimatstadt Philadelphia auf Nachfragen des Gerichts ausgesagt, dass er sich Beruhigungsmittel, unter anderem das Hypnotikum "Quaaludes", auf Rezept beschafft habe - um sie jungen Frauen zu verabreichen, mit denen er Sex haben wollte. "Ich gebe ihr Quaaludes, dann haben wir Sex", wird Cosby in den Aufzeichnungen zitiert.

Constand war die erste Frau, die gegen Cosby öffentlich zu Felde zog. Nachdem dessen Anwälte mit dem Versuch gescheitert waren, die Kanadierin als Lügnerin darzustellen, einigten sich die Parteien außergerichtlich. Cosby erkaufte sich mit einer hohen Summe Stillschweigen. Zu einer Anklage kam es bis heute nicht.

Diverse Versuche von US-Medien, in die Gerichtspapiere von damals zu sehen, waren bisher gescheitert. Eine Veröffentlichung, argumentierten seine Anwälte, stelle eine "reale, spezifische Gefahr einer ernsthaften Beschämung" für Cosby dar. Die Nachrichten-Agentur Associated Press (AP) ließ nicht locker und fand jetzt in Bezirks-Richter Eduardo Robreno einen Juristen, dem die Geheimhaltung wohl auch eingedenk der fast im Wochen-Rhythmus auftauchenden Missbrauchsvorwürfe nicht mehr vertretbar erschien. Bill Cosby habe sich "den Mantel des Moralisten angezogen", der seine Ansichten über "Kindererziehung, Familienleben, Bildung und Kriminalität" jederzeit der Außenwelt mitteilte, so Robreno. Dieses öffentliche Gebaren hat die "Zone der Privatheit, die er beanspruchen darf, verengt". Der Sorge der Verteidiger begegnete der Richter fast lakonisch: "Warum sollte Cosby peinlich sein, was er selbst unter Eid ausgesagt hat?"

Nach Einschätzung von Juristen kann das Geständnis für Cosby gravierende Konsequenzen haben. Nicht wegen der ihm in inzwischen über 40 Fällen (!) unterstellten Vergewaltigungen; die meisten Vorgänge seien strafrechtlich wohl lange verjährt. Sondern weil Cosby seit Auftauchen der ersten Vorwürfe die Anschuldigungen als Hirngespinste oder Lügengeschichten von gestörten Frauen abkanzeln ließ, die ihm seinen Erfolg missgönnten. Eine der Betroffenen, das ehemalige Topmodel Janice Dickinson, hat deshalb Schadenersatz wegen Diffamierung geltend gemacht. Dickinson wurde nach eigenen Angaben 1982 von Cosby unter Drogen gesetzt und missbraucht. Sie will, so ihre Anwältin Lisa Bloom, dass sich der Fernsehstar "mindestens nachträglich entschuldigt". Opfer als Lügnerinnen zu stigmatisieren sei wie eine "zweite Vergewaltigung".

Weil Dickinson nicht die einzige Frau ist, die auf diesem Weg Gerechtigkeit verlangt, könnte eine neue Prozesswelle gegen Cosby anrollen, in der sein Geständnis von 2005 als Blaupause dienen würde. Oder, wie Barbara Bowman, auch ein Opfer, sagte, als "grundlegende Bestätigung" dafür, dass es sich hier um einen "Serien-Vergewaltiger" handelt.

Weder Bill Cosby noch seine Anwälte haben bisher reagiert. Für eine Frau dürfte die Enthüllung besonders schwer zu verkraften sein. Camille Cosby, seit 51 Jahren mit Cosby verheiratet, hatte sich stets vor ihren Gatten gestellt. "Er ist ein liebenswürdiger Mann, ein großherziger Mann, ein lustiger Mann und ein wundervoller Ehemann, Vater und Freund", schrieb sie in einer Stellungnahme. "Der Mann, dem diese hässlichen Dinge vorgeworfen werden, ist ein Mann, den ich nicht kenne." Wenn stimmt, was die Opfer sagen, dann wird Camille Cosby demnächst erfahren, dass ihr Mann ein Doppelleben führte.

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