Der Politik-Erklärer Ulrich Deppendorf moderierte Abend zum letzten Mal "Berlin direkt"

BERLIN · Und dann ist er weg. Einfach so. Er ist halt 65, da ist es Zeit. Kein sentimentaler Rückblick, keine pompöse Abschiedssendung mit den Höhepunkten des journalistischen Arbeitslebens, nicht mal Auftritte in Talkshows. Ein letztes Guten Abend, Schwarzblende, Scheinwerfer aus und Schluss. Und das nach 298 Ausgaben "Berlin direkt".

 Ulrich Deppendorf.

Ulrich Deppendorf.

Foto: dpa

298 Ausgaben - wie schnell sich das sagt und schreibt. Es ist der statistische Ausdruck einer Ära. Am 16. April 1999 hatte Ulrich Deppendorf die Sendung zum ersten Mal moderiert. Politik aus der "Berliner Republik". Das Wort hatte damals so etwas wie eine erwartungspralle Verheißung. So als wenn der neue Ort des Regierens die Akteure mit zusätzlicher Bedeutung anfüllte, mit Wucht und Wichtigkeit. Und die Schröders und Fischers erfüllten die Erwartungen: Politik wurde plötzlich auch eine Art täglicher "Soap" mit Realitätsbonus als zusätzlichem Reiz. Was für ein Segen, dass es Menschen gab, die mit nüchternem Blick zwar viele neue Kleider, aber letztlich doch vor allem einen nackten Kaiser erkannten.

Ulrich Deppendorf ist so ein Mensch. Er ist 1,91 Meter groß. Vielleicht ist das nicht so ganz unwichtig. Er hat einen Blick für den Typus des Gernegroß in der Politik. Seine 20 Minuten "Berlin direkt" waren nie - bis heute nicht - pointensatte Politunterhaltung. Deppendorfs unterkühlte Art wirkte oft wie eine Spaßbremse. Wie gut das tat. Deppendorf hatte immer einen Grundsatz: Er reduzierte die Inszenierungen der Politik auf das Wesentliche - auf Fakten, auf Konsequenzen für die Bürger, auf Alltagsrelevanz.

Das ist eine bewusste Entscheidung. Aber es ist natürlich hilfreich, wenn Charakter und Rolle zusammenpassen. Deppendorf, Leiter des ARD-Hauptstadtstudios und Chefredakteur Fernsehen der ARD, ist Jurist aus den Ruhrgebiet - einer Gegend, der man nachsagt, Blender nicht ausstehen zu können. In seinen 298 "Berlin direkt"-Sendungen, in seinen Interviews, in seinen Moderationen und Kommentaren in den "Tagesthemen" hat man ihn nie poltern hören, er hat nichts und niemand in Grund und Boden verdammt. Stattdessen hat er analysiert, abgewogen, eine Meinung vertreten: ohne Aufstampfen und immer begründet.

Deppendorf erlebte Zeitgeschichte hautnah. Mit Helmut Kohl war er in Warschau, als die Nachricht vom Mauerfall Polen erreichte. Er hat viel später Kohl auf dem Höhepunkt der Spendenaffäre interviewt (wie man hört, sehr zum Unmut des Altkanzlers, was ja nicht gegen Deppendorf spricht), er war mit Gerhard Schröder am Ground Zero, er hat - zusammen mit ZDF-Kollegin Bettina Schausten, den strauchelnden Bundespräsidenten Christian Wulff zum Gespräch gebeten.

So jemand könnte auftrumpfen, selbstverliebte Bilanzen ziehen. Er tut es nicht. Er könnte auch - und vielleicht würde man wenigstens dies tatsächlich erwarten - das Hohelied des klassischen Journalismus singen und die Nase rümpfen über die zeitgeistigeren Phänomene der Politikvermittlung. Auch das tut Deppendorf nicht - im Gegenteil: Gefragt danach, was er denn nun künftig machen wolle, sagt er, dass er vielleicht "irgendwas im Internet" anstellen werde. Und seiner ARD empfiehlt der WDR-Mann, sich rechtzeitig um einen "24-Stunden-Online-Newschannel" zu kümmern. Denn Fernsehen und Internet würden sich in Zukunft noch mehr verschränken. Durchaus keine Entwicklung, die Deppendorf kritisch sieht. Er werde nicht aufhören, journalistisch tätig zu sein, sagt er. Auch das ist gut so.

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