Die Bundestagsparteien in der Analyse: SPD Gefangen in der Dauerdepression

Angela Merkel ist in der deutschen Politik der zentrale Bezugspunkt - für Anhänger wie für Gegner. Da im Bund gegen die Kanzlerin auf absehbare Zeit nichts geht, suchen sich die Parteistrategen Politiknischen und bereiten den Boden für die Nach-Merkel-Ära.

 Sigmar Gabriel

Sigmar Gabriel

Foto: dpa

Die programmatische Arbeit der SPD wird von den Wählern nicht honoriert.

Die Lage

Die Sozialdemokraten sind weiterhin in den Ländern stark und in der Bundesregierung der Motor inhaltlicher Arbeit. Wie schon bei den Themen Mindestlohn, Mietpreisbremse, Kita-Ausbau treiben sie nun beim nächsten Megathema "Einwanderungsgesetz" die Union vor sich her. Nur nützt das der Partei nichts - gar nichts.

Die Umfragewerte verharren mit boshafter Trägheit um die 25 Prozent. Das macht die Partei nervös. Auch der Vorsitzende Sigmar Gabriel verliert allmählich die Orientierung und verhaspelt sich immer öfter: Seine Haltung zu TTIP oder Griechenland ist schwankend. Wie deprimiert die Stimmung in der Partei ist, zeigt der Vorstoß des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Torsten Albig, der mit der Idee spielte, bei der kommenden Bundestagswahl gar keinen eigenen Kanzlerkandidaten aufzustellen.

Das Problem

Die Programmarbeit in der Regierung wird von den Wählern nicht honoriert. Im Schatten des Kanzlerinnenglanzes bleibt die zweifellos eifrige Sozialdemokratie bundespolitisch kaum erkennbar. Und wie so oft leistet sich die SPD permanent unentschieden vor sich hin köchelnde Richtungsdebatten. Vor allem aber fehlt den Sozialdemokraten jede eigene Machtperspektive. Rot-Grün ist weit entfernt von einer eigenen Mehrheit, zudem machen sich die Grünen eher für eine Koalition mit der Union hübsch.

Und die Linkspartei ist in einem Zustand, der es ausgeschlossen erscheinen lässt, dass in absehbarer Zeit ein rot-rot-grünes Bündnis für die Wähler attraktiv sein könnte. Alles, worauf die Sozialdemokraten mittelfristig hoffen können, sind ein paar Ministersessel am Hofe der Kanzlerin. Für eine Partei mit einem so ausgeprägten Gestaltungsanspruch wie die SPD ist das von schmerzhafter Trostlosigkeit.

Die Strategie

Im Grunde hat sich in der Partei die Überzeugung breitgemacht, dass bundespolitisch nichts zu holen ist, solange die Kanzlerin Angela Merkel heißt. Also setzt die SPD darauf, die Machtbasis in den Ländern und den Städten auszubauen. Das wenigstens gelingt. Es wäre deshalb fundamental wichtig, wenn im Frühjahr in Rheinland-Pfalz Ministerpräsidentin Malu Dreyer ihre Stellung behaupten könnte und im Südwesten wenigstens die Regierungsbeteiligung erhalten bliebe.

Dagegen ist die inhaltliche Strategie höchst umstritten. Parteichef Gabriel hat versucht, die Partei in die politische Mitte zu führen, erntet aber von der Funktionärsebene regelmäßig Kritik. Dort heißt es: In der großen Koalition müsse man genug Rücksicht nehmen, da dürfe man sich nicht auch noch programmatisch selbst die Ecken und Kanten nehmen.

Gabriel hat durch unklares Lavieren viel von seinem Ansehen in der Partei verloren, wenn auch sein Vorsitz unbestritten ist. Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen ist nach einem unbefriedigenden Wahlergebnis zurückgetreten - ein Machtfaktor war er nie. Das war einmal Hannelore Kraft. Aber nachdem sie sich voreilig darauf festgelegt hatte, keinerlei bundespolitische Ambitionen entwickeln zu wollen, ist das bundespolitische Gewicht der NRW-SPD dramatisch gesunken. Der neue Liebling der Partei ist Martin Schulz, der Präsident des Europa-Parlaments. Aber auch die Stellung von Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz ist nach seinem exzellenten Wahlergebnis im Februar besser geworden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
„Die Bedrohungslage ist hoch“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Gespräch „Die Bedrohungslage ist hoch“
Aus dem Ressort