Ökumenischer Kirchentag in München "Denn sie sollen eins sein"

Hans Küng, der große schweizerische katholische Theologe, schaut mit einiger Verwunderung auf die Vorbereitungen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum 500. Jahrestag der Reformation vom 31. Oktober 1517. Denn die EKD selbst hat schon den Überblick über die Vielzahl der geplanten Feierlichkeiten verloren: "Eine 500-Jahr-Feier ohne Überwindung der Kirchenspaltung wäre den Aufwand nicht wert."

 Ökumenischer Kirchentag in München: Besucher begehen den Abendsegen gemeinsam, mit Kerzen in ihren Händen. Ist die Eucharistie überall so selbstverständlich geworden? FOTO: DPA

Ökumenischer Kirchentag in München: Besucher begehen den Abendsegen gemeinsam, mit Kerzen in ihren Händen. Ist die Eucharistie überall so selbstverständlich geworden? FOTO: DPA

Foto: dpa

Erste notwendige Schritte seien die gegenseitige eucharistische Gastfreundschaft und die gegenseitige Anerkennung der Ämter. Denn in einer säkularisierten Umwelt sei das Christentum nur gemeinsam glaubwürdig.

Das haben freilich schon längst viele katholische und evangelische Christen in den Gemeinden vor Ort verinnerlicht. Gegen die theologischen und kirchenrechtlichen Bedenken der Bischöfe handeln sie nach dem Satz von Willy Brandt nach dem Fall der Berliner Mauer, dass jetzt zusammenwachse, was zusammengehört. Was politisch gemeint war, wird nun kirchlich umgedeutet. Und es sind keineswegs nur Laien, die sich um Vorschriften ihrer kirchlichen Obrigkeit nicht mehr kümmern, sondern auch Pfarrer.

Das gilt in erster Linie für katholische Christen, denn die evangelische Kirche weist katholische Christen nicht beim Abendmahl zurück, sondern lädt sie ausdrücklich ein, wenn sie in ihrer, also der katholischen Kirche zur Kommunion zugelassen sind. Das veranlasst auch geschiedene und wiederverheiratete Katholiken, denen nach wie vor in ihrer Kirche die Kommunion verweigert wird, am evangelischen Abendmahl teilzunehmen.

Die Basis ist längst dabei, die Überwindung der seit einem halben Jahrtausend andauernden Spaltung ihrer Kirchen selbst in die Hand zu nehmen. Eucharistische Gastfreundschaft bei Veranstaltungen ökumenischer Arbeitsgemeinschaften und -kreise ist längst keine Ausnahme mehr - vorausgesetzt, der katholische Priester kann sicher sein, dass er nicht "nach oben" gemeldet wird. Bei einer evangelischen Trauung für ein evangelisch-katholisches Brautpaar bittet die katholische Braut auch um die Eucharistie. Der evangelische Pfarrer macht darauf aufmerksam, dass die evangelische Kirche alle zum Abendmahl einlädt, selbstverständlich auch die katholischen Christen, wenn sie das wollen.

Viele katholische Christen nehmen das Angebot an. Auch eine leitende Oberin eines katholischen Ordens in voller Tracht: "Ich gehöre in meiner Gemeinde zu einem ökumenischen Arbeitskreis und wir feiern alle vier Wochen gemeinsam Eucharistie. Mal feiert sie der katholische Dechant, mal der evangelische Superintendent. Für uns ist das längst normal."

Selbstverständlich übernehmen, wenn es gewünscht wird, evangelische Pfarrer im Talar an katholischen Hochzeiten und Beerdigungen teil. Meist halten sie die Predigt, was auch jetzt schon erlaubt ist. Aber nicht selten bittet der katholische dann den evangelischen Pfarrer, sich doch an der gesamten Liturgie zu beteiligen. Auch das ist keine Ausnahme mehr: "Und nun spricht der evangelische Pfarrer zum Abschluss den Segen."

An der Basis kommt solche Gemeinsamkeit gut an. Immer öfter bekommen die Pfarrer beider Konfessionen dann zu hören: "Das sollte immer so sein. Denn wir gehören doch zusammen."

Diese Beispiele - alle aus der Region Bonn und Köln - zeigen: Vielerorts ist längst zusammengewachsen, was zusammengehört. Wenn die Christen an Pfingsten den Geburtstag der Kirche feiern, dann werden sie an die großen Gemeinsamkeiten erinnert, die die noch getrennten Kirchen seit vielen Jahrzehnten bereits verbindet: Gegenseitige Anerkennung der Taufe, konfessionsverschiedene Paten, konfessionsverbindende Trauungen, gemeinsame Texte für Glaubensbekenntnis und Vater unser, gemeinsame Lieder in Gotteslob und Evangelischem Gesangbuch, gemeinsame theologische Kommissionen, gemeinsame Erklärungen zu den meisten gesellschaftlichen und politischen Fragen.

Die meisten Christen sind überzeugt, dass es nach 1000 Jahren der Trennung in West-und Ostkirche und nach 500 Jahren in katholisch und protestantisch an der Zeit ist, die Gräben der Trennung zuzuschütten. Dennoch ergeben sich nach wie vor unüberwindlich scheinende Hindernisse, obwohl seit dem 2. Vatikanischen Konzil die katholische Kirche keine "Rückkehr-Ökumene" mehr fordert, was auch Papst Benedikt XVI. öfter bestätigt hat.

Längst wird Martin Luther in der katholischen Kirche nicht mehr verteufelt, so wie kein Protestant mehr auf die Idee kommt, im Papst den Antichristen zu sehen. Nicht zuletzt die Beauftragte der EKD für das Reformationsjubiläum, Margot Käßmann, hat dieser Tage unterstrichen: "Luther war ein Reformkatholik. Deshalb sollte das internationale Reformationsjubiläum im ökumenischen Horizont begangen werden." Und der "Ökumene-Minister" des Vatikans, Kurt Kardinal Koch, sagt, die Christenheit dürfe sich nicht "mit der zutiefst abnormalen Situation der Spaltung in verschiedene Kirchen" abfinden.

Trotz der großen Sympathie, die Papst Franziskus auch von Protestanten entgegenschlägt, erkennt Rom in den protestantischen Kirchen keine Kirchen (im Gegensatz zu den orthodoxen Kirchen), sondern lediglich "kirchliche Gemeinschaften". Die Protestanten lehnen die Unfehlbarkeit des Papstes ab und haben ein anderes Verständnis vom Amt des Priesters. Pfarrerinnen und Bischöfinnen sind für die katholische Kirche nach wie vor unvorstellbar (nicht für das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, das zu den größten ökumenischen Motoren zählt).

Die Basis ist freilich zu einem großen Teil ihren Kirchenleitungen weit voraus. Sie praktiziert die Einheit der Christen wie selbstverständlich und hat immer weniger Angst vor Verboten von oben, sondern praktiziert die Bitte Jesu nach dem Johannes-Evangelium (17,22): "Denn sie sollen eins sein."

Was ist Pfingsten?

Pfingsten wird von den Gläubigen die Entsendung des Heiligen Geistes gefeiert. Es wird am 50. Tag des Osterfestkreises, also 49 Tage nach dem Ostersonntag, begangen. Im Neuen Testament wird in der Apostelgeschichte erzählt, dass der Heilige Geist auf die Apostel und Jünger herabkam, als sie zum jüdischen Fest Schawuot in Jerusalem versammelt waren. Dieses Datum wird auch als Gründung der Kirche verstanden. Als christliches Fest wird Pfingsten erstmals im Jahr 130 erwähnt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Antje Höning
zur Organspende
Geht jeden an
Kommentar zur OrganspendeGeht jeden an
Aus dem Ressort