Innenministerkonferenz Minister einigen sich in Flüchtlingsfrage

BONN · Pro Asyl und Jugendliche ohne Grenzen gegen Gesetzentwurf zum Bleiberecht. Beim Kamingespräch in der Villa Hammerschmidt haben sich die Innenminister von Bund und Ländern gestern geeinigt, weitere 10 000 hochgradig schutzbedürftige Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen.

 Mehr als 200 Demonstranten, darunter viele Flüchtlinge, versammeln sich am späten Nachmittag auf dem Bonner Münsterplatz und fordern ein Bleiberecht für alle Flüchtlinge in Deutschland. Beim anschließenden Protestzug durch die Innenstadt kommen noch viele weitere Teilnehmer dazu.

Mehr als 200 Demonstranten, darunter viele Flüchtlinge, versammeln sich am späten Nachmittag auf dem Bonner Münsterplatz und fordern ein Bleiberecht für alle Flüchtlinge in Deutschland. Beim anschließenden Protestzug durch die Innenstadt kommen noch viele weitere Teilnehmer dazu.

Foto: Horst Müller

"Der Bürgerkrieg in Syrien ist die größte humanitäre Katastrophe dieses Jahrzehnts", betonte NRW-Innenminister Ralf Jäger, "wir dürfen nicht wegschauen, sondern müssen handeln." Bei der zurzeit in Bonn tagenden Konferenz der deutschen Innenminister appellierte Jäger auch an andere EU-Länder, einen größeren Beitrag zu leisten und mehr syrische Flüchtlinge aufzunehmen.

Schon im vergangenen Jahr hatte das Bundesinnenministerium grünes Licht für den Transport der ersten 10 000 Syrer nach Deutschland gegeben. 6000 von ihnen sind bereits angekommen. "Es ist ein langer, verantwortungsvoller und mühsamer Prozess, die Menschen aus Flüchtlingslagern im Libanon herzuholen", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière gestern - und bat um Geduld. Wann die nächsten 10 000 Syrer in Deutschland eintreffen und wie viel Zeit den Kommunen bleibt, um Unterkünfte einzurichten, ist nach seiner Einschätzung noch nicht abzusehen.

Die Flüchtlinge werden nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. NRW als bevölkerungsreichstes Bundesland nimmt auf Basis dieser Regelung die meisten Neuankömmlinge auf, exakt 22 Prozent des jetzt auf insgesamt 20 000 Menschen aufgestockten Kontingents. "Die Kommunen brauchen sich jedoch keine Sorge machen", versprach Jäger. Um die Städte und Gemeinden finanziell zu entlasten, haben die Minister beschlossen, dass die Länder zukünftig die Gesundheitskosten für Flüchtlinge und nachziehende Familienangehörige übernehmen.

Die Organisation Pro Asyl hatte zuvor gefordert, jenen syrischen Flüchtlingen, die schon Verwandte hier haben, die Möglichkeit zu geben, nach Deutschland zu kommen. 76 000 Anträge aus diesem Personenkreis lägen vor, sagte der Geschäftsführer Günter Burkhardt bei einer Pressekonferenz in Bonn.

Kritik übte Pro Asyl auch an dem im Bundesinnenministerium erarbeiteten Gesetzentwurf zur Neuregelung des Bleiberechts. "Das ist ein gigantisches Entrechtungsprogramm", erklärte Burkhardt. Gegen diese Neuregelung demonstrierten gestern Nachmittag auf dem Münsterplatz rund 200 Personen, wie die Polizei mitteilte, vorwiegend junge Menschen.

Dabei waren auch Javad Saberi und Abbas Karimi aus Afghanistan, Jaspreet und Bablu Singh aus dem indischen Bundesstaat Punjab, Eric Wambui aus Kenia und Ali Babiker Abdelbagi aus dem Sudan. Die sechs jungen Männer zwischen 19 und 25 Jahren haben eines gemeinsam: Sie sind in Deutschland nur geduldet. Auf dem Münsterplatz waren unter den Demonstranten neben den sechs rund 100 Menschen, die in derselben Situation stecken. Das Motto der Kundgebung: "Willkommenskultur! Bleiberecht für alle". Ihr Ziel: Die noch bis heute im Bonner Kameha Hotel tagenden Länderinnenminister davon zu überzeugen, dass sie Widerstand leisten sollen gegen den Gesetzentwurf zum Bleiberecht von Bundesminister Thomas de Maizière (CDU).

Es sei richtig, das Bleiberecht zu reformieren, aber man müsse damit aufhören, die Menschen zu schikanieren, sagte Burkhardt. Konkret wenden sich Pro Asyl und die Organisation Jugendliche ohne Grenzen dagegen, dass nur jene dauerhaft bleiben dürfen, die zuvor mindestens sechs Jahre als Familie oder acht Jahre als Alleinstehende hier gelebt haben, als integriert gelten, arbeiten und deutsch sprechen.

"Vieles davon ist unrealistisch", sagte Amina Önder von Jugendliche ohne Grenzen. Geduldete bekämen nur selten eine Arbeitsstelle oder einen Ausbildungsplatz, Geduldete hätten es schwer, die deutsche Sprache zu beherrschen, weil oft Sprachkurse nicht bezahlt würden, und Geduldete dürften ihren Heimatkreis nicht verlassen, obwohl vielleicht in der Nachbarstadt die Chance auf bessere Bildungseinrichtungen bestünde, berichtete Önder. Derzeit gebe es in Deutschland 85 000 geduldete Flüchtlinge.

Vor allem wendet sich ihre Organisation dagegen, dass Menschen nach Afghanistan abgeschoben werden. "Das ist immer noch ein unsicheres Land, gerade jetzt, wo die ausländischen Truppen das Land verlassen." Javad und Abbas, die offenbar auf dem Weg sind, hier Fuß zu fassen, können das nur unterschreiben.

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