Interview mit Andreas Pinkwart "Land will Hochschulen Freiheit nehmen"

BONN · Anfang 2013 sorgte der frühere NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) mit Lob für seine Nachfolgerin Svenja Schulze (SPD) im Blick auf den doppelten Abiturjahrgang für Aufsehen - inclusive Kritik aus den eigenen Reihen. Am neuen Hochschulzukunftsgesetz aber übt Pinkwart Kritik.

 "Ich mische mich ein, wenn es für unser Land wichtig ist", sagt Ex-Minister Andreas Pinkwart.

"Ich mische mich ein, wenn es für unser Land wichtig ist", sagt Ex-Minister Andreas Pinkwart.

Foto: Barbara Frommann

Hält das Hochschulzukunftsgesetz, was der Name verspricht?
Andreas Pinkwart: Mit dem Gesetzentwurf laufen die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen in eine deutlich schlechtere Zukunft.

Woran liegt das?
Pinkwart: Die Ministerin erkennt zwar an, dass die vergangenen Jahre erfolgreiche Jahre waren, aber den Hochschulen sollen jetzt die Freiheiten genommen werden, die sie national und international in den vergangenen Jahren so sehr nach vorne gebracht haben.

Wodurch?
Pinkwart: Das Land will den Hochschulen vorgeben, welche Studiengänge sie anbieten sollen und sie auch finanziell an die Kandare nehmen. Das hat schon früher zu Fehlsteuerungen geführt.

Mit welchen Folgen für die Hochschulen?
Pinkwart: Die Rektorate werden viel mehr an Planvorgaben des Ministeriums gebunden und auch intern gegenüber den Hochschulgruppen geschwächt. Dies verwischt die Verantwortlichkeiten und geht zulasten der Qualität und Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulsystems.

Die Ministerin sagt, sie wolle eine überregional abgestimmte Fächervielfalt und die Auslastung der Kapazitäten. Was haben Sie denn dagegen?
Pinkwart: Die Hochschulen sind ja schon gut ausgelastet, sie haben ja auch zu meiner Freude den doppelten Abiturjahrgang hervorragend gemeistert. Aber das zeigt ja auch, wie verantwortlich die Hochschulen mit ihrer Freiheit umgehen können. Sie erkennen schneller, welche neuen Studiengänge sich abzeichnen, wie vorhandene angepasst werden müssen. Das kann ein entferntes Ministerium in Düsseldorf gar nicht mehr wahrnehmen.

Warum will Rot-Grün die Hochschulfreiheit einschränken?
Pinkwart: Ich fürchte, dass man die Hochschulen wieder zu einem Steinbruch machen will, um den Landeshaushalt in Ordnung zu bringen. Das wäre fatal. Gerade in den letzten zehn Jahren hat man gesehen, wie viel in unseren Hochschulen steckt. Sehen Sie sich die verschiedenen Runden der Exzellenzinitiativen an. Bei der ersten war NRW als mit Abstand größtes Bundesland nur auf Platz vier, jetzt sind wir mit Baden-Württemberg vorn.

Noch Ihr Verdienst?
Pinkwart: Das ist das Verdienst der Hochschulen, die bessere finanzielle Rahmenbedingungen und Gestaltungsfreiheiten genutzt und ihr Potenzial mit großem Engagement entfaltet haben. Es geht darum, dass wir die besten Köpfe gewinnen und halten, um beste Leistungen zu erzielen und damit den Wohlstand für alle Menschen im Land auch künftig sichern. Der jetzige Gesetzesentwurf fällt indes noch hinter die Freiheiten zurück, die meine Amtsvorgängerin Hannelore Kraft zu Beginn der 2000er Jahre über die Zielvereinbarungen eröffnet hat. Hier appelliere ich an die Ministerpräsidentin, sich hinter die Hochschulen und gegen ihre planwirtschaftliche Steuerung zu stellen.

Sie argumentieren, plädieren und appellieren, als wollten Sie wieder in die Landespolitik einsteigen. Haben Sie Lust?
Pinkwart: Ich mische mich ein, wenn es für unser Land wichtig ist. Mir geht es vor allem darum, den gesamtgesellschaftlichen Konsens der letzten Jahre zu erhalten, dass wir an manchem sparen können, aber nie wieder an Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie als Garanten für den Wohlstand von morgen.

Andere Ex-Minister halten sich zurück, wenn sie nicht mehr im Amt sind.
Pinkwart: Es geht mir nicht um Parteipolitik, sondern um die Sache. Daher anerkenne ich, was gut gemacht wird. Ich kritisiere aber auch, was aus meiner Sicht falsch läuft. In der deutschen Wissenschaftslandschaft wird derzeit sehr genau geschaut, was Nordrhein-Westfalen macht. Unser Hochschulfreiheitsgesetz war doch zum Beispiel Vorbild für das Wissenschaftsfreiheitsgesetz im Bund. Das hat auch international gewirkt, indem sich wieder mehr herausragende Wissenschaftler für unser Land entscheiden und wir für ausländische Studenten deutlich attraktiver geworden sind.

Am Wochenende wählt die FDP die neue Führung. Ihr Eindruck?
Pinkwart: Die FDP kommt wieder. Sie wird die Zeit der außerparlamentarischen Opposition nutzen, um die Stimme des organisierten Liberalismus im nächsten Bundestag wieder zur Geltung zu bringen, wo sie schon jetzt von immer mehr Menschen vermisst wird.

In anderen Ländern gibt es anti-europäische Parteien, die Zulauf haben. Könnte die FDP in solche Strömungen geraten?
Pinkwart: Ich wünsche mir eine FDP, die mit einer klaren pro-europäischen Linie für die nachhaltige Sicherung von Frieden und Freiheit in Europa eintritt und der Versuchung widersteht, populistischen Strömungen hinterher zu laufen.

Kann es Christian Lindner allein richten?
Pinkwart: Nein. Christian Lindner und die FDP brauchen jetzt breitest mögliche Unterstützung. Alle, denen die Freiheit am Herzen liegt, sollten sich einbringen und Flagge zeigen.

Auch Sie?
Pinkwart: Im Rahmen meiner Möglichkeiten helfe ich wo immer sinnvoll selbstverständlich mit. Wenn ich so weiße Haare wie Wolfgang Kubicki habe, kandidiere ich vielleicht auch noch mal fürs Präsidium.

Zur Person

Der 53-jährige Andreas Pinkwart war von 2005 bis 2010 Landeswissenschaftsminister, zwischen 2002 und 2011 FDP-Landeschef in NRW und von 2003 bis 2011 Bundesvize der Liberalen. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt sowohl in Leipzig als auch in Alfter. Er ist Rektor der HHL Leipzig Graduate School of Management.

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