Stürmische Vereidigung Tumulte bei der Vorstellung des neuen israelischen Kabinetts

JERUSALEM · Tumultartige Sitzungen im israelischen Parlament sind keine Seltenheit. Allerdings können sich selbst altgediente Knesset-Mitglieder nicht erinnern, jemals eine so stürmische Vereidigung einer Regierung erlebt zu haben.

Drei arabische Abgeordnete wurden des Plenarsaals verwiesen, als aus ihren Reihen immer wieder Zwischenrufe die Rede von Benjamin Netanjahu störten, der am späten Donnerstagabend sein neues Kabinett präsentierte - eine mehrheitlich aus rechtsnationalen und ultraorthodoxen Parteien bestehende Koalition.

Weil Netanjahu bis zur letzten Minute ein hartes Ringen mit den eigenen Likud-Abgeordneten um die übrig gebliebenen Ministerposten focht, war der Sitzungsbeginn immer wieder verschoben worden, zuletzt nochmals um zwei Stunden. Dabei hatte man vergessen, Staatspräsident Reuven Rivlin über die Zeitplanänderung zu informieren, der beim ersten Eintreffen verärgert mit seiner Ehefrau wieder abzog, um später von der Zuschauertribüne der Vereidigung beizuwohnen.

Die neue Koalition zählt einschließlich des Ministerpräsidenten 26 Mitglieder, darunter 20 Minister und fünf stellvertretende Minister. Vier Ressorts, darunter das Außenamt, bleiben vorerst bei Netanjahu. In seiner Rede sagte er: "Ich lasse die Tür offen, um die Regierung zu erweitern."

Als Adressat dieses Angebots wird Arbeitsparteichef Jizchak Herzog vermutet. Der erwiderte daraufhin: "Kein anständiger Chef würde bei diesem Zirkus mitmachen, den Sie im letzten Moment mit einer äußerst knappen Mehrheit gebildet haben, mit dem einzigen Ziel, Ihre Macht zu erhalten." Herzog war für die Wahl eine Verbindung mit Zipi Livni von der Partei "HaTenua" eingegangen. Sie schnitt am 17. März als zweitstärkste Liste ab. Berichte, es habe in den vergangenen Wochen heimliche Treffen mit Netanjahu über eine Regierungsbildung gegeben, dementierte Herzog stets.

Der Grund für Netanjahus Avancen liegt in der äußerst knappen Mehrheit von nur einer Stimme: Die Koalition aus Likud, der neuen sozialkonservativen Partei Kulano, der Siedlerpartei Jüdisches Heim und den ultrareligiösen Parteien Schas und Vereinigtes Thora-Judentum bringt es gerade einmal auf 61 Sitze in der Knesset, die Opposition hat 59. Ursprünglich hatte Netanjahu mit einer komfortableren Mehrheit gerechnet, doch hatte ihm der bisherige Außenminister Avigdor Lieberman von der Partei "Unser Haus Israel" überraschend einen Korb gegeben.

Die Aussöhnung mit den Palästinensern und eine Zwei-Staaten-Lösung spielen in den Leitlinien der 34. Regierung keine Rolle. Am Donnerstag in der Knesset sagte Netanjahu lediglich, seine Regierung werde "die Sicherheit wahren und den Frieden suchen", worauf die arabischen Abgeordneten mit Gelächter reagierten.

Der Schwerpunkt der Regierung soll auf der Senkung der hohen Lebenshaltungskosten und der Immobilienpreise liegen. Diese Aufgaben liegen vor allem bei Finanzminister Mosche Kachlon, der einst dem Likud angehörte und nun die Partei Kulano ("Wir alle") führt. Sie stellt auch die Minister für Bau und Umwelt. Verteidigungsminister bleibt Mosche Jaalon vom Likud. Das Wirtschaftsressort ging an Schas-Chef Arie Deri, der wegen Korruption zwei Jahre im Gefängnis saß. Am umstrittensten ist die Vergabe des Justizressorts an die rechtsradikale Politikerin Ajelet Schaked vom Jüdischen Heim.

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