Rote Linien für Handelsabkommen SPD beschließt klare Bedingungen für die Verhandlungen

BERLIN · Erleichterung überall. Schleichend, unbemerkt von aller Öffentlichkeit unterhalb des Sicherheitsradars der koalitionären Krisenmanager hatte sich langsam ein Konfliktpotenzial angehäuft, das durchaus geeignet gewesen wäre, die Stimmung in der Bundesregierung erheblich zu belasten.

 Das amerikanische "Chlorhühnchen" ist in aller Munde, soll aber in der EU nicht auf dem Teller landen: Im Mai demonstrierten Kritiker des Abkommens in Berlin gegen diverse Produkte, die aus den USA nach Europa exportiert werden könnten.

Das amerikanische "Chlorhühnchen" ist in aller Munde, soll aber in der EU nicht auf dem Teller landen: Im Mai demonstrierten Kritiker des Abkommens in Berlin gegen diverse Produkte, die aus den USA nach Europa exportiert werden könnten.

Foto: dpa

In der SPD hatte sich so viel Unmut über TTIP, das Freihandelsabkommen der EU mit den Vereinigten Staaten angesammelt, dass im Vorfeld des SPD-Parteikonvent vom Wochenende in der Partei sogar der Komplettausstieg aus den Verhandlungen diskutiert worden war. Das aber hätte den Parteichef Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister handlungsunfähig gemacht.

Er musste also handeln. Und am Ende muss man sagen, er hat es aus seiner Sicht gut gemacht. Gabriel hatte sich noch gerade rechtzeitig mit den Gewerkschaften zusammengesetzt, die noch immer in der Lage sind, die Kompassnadel der Sozialdemokratie erheblich zu beeinflussen.

Bei den Arbeitnehmer-Organisationen hatte sich aber längst schon, und wahrscheinlich schneller als in der Funktionärsebene der SPD, die Einsicht durchgesetzt, dass das Abkommen große Chancen für Wachstum und Arbeitsplätze bietet. Deshalb konnte Gabriel ein gemeinsames Papier erreichen, dass vor allem eines ausdrückte: Den dringenden Wunsch der Gewerkschaften, dass das TTIP-Projekt bei allen erwünschten Korrekturen nicht scheitern möge.

Für Gabriel reicht das. Alles unterhalb dieser Linie lässt ihm Spielraum. Deshalb trat auf dem Parteikonvent sichtlich mit breiter Brust auf. Er attackierte die Pauschalkritiker frontal. Auch Gabriels Vertrauter Ralf Stegner, der Koordinator der Parteilinken, wurde nicht verschont.

Allerdings musste die erhöhte Phonstärke des Parteichefs auch überdecken, dass er durchaus Zugeständnisse machen musste, mit der die Parteilinke ganz gut leben kann. Das ursprüngliche Vorstandspapier musste in 14 Punkten im Geiste der Verständigung mit dem DGB nachgebessert werden. Der Parteikonvent stellte sich gegen besondere Regelungen für den Investitionsschutz von Unternehmen beim TTIP. Kritiker befürchten, sie könnten Unternehmen die Grundlage bieten, Staaten vor Schiedsstellen auf Schadenersatz zu verklagen.

Investitionsschutzvorschriften sind in einem Abkommen zwischen den USA und der EU grundsätzlich nicht erforderlich und sollten nicht mit TTIP eingeführt werden, heißt es in dem Beschluss. Das könnte dem Wirtschaftsminister noch Ärger machen, denn Investitionsschutz ist durchaus auch ein Anliegen der deutschen Wirtschaft. Auch ein Absenken von Sozialstandards soll nicht hingenommen werden.

Dennoch, Gabriel hat mit dem Beschluss, der von den 200 Mitgliedern des Parteikonvents bei nur sieben Gegenstimmen verabschiedet wurde, auch das Mandat erhalten, die Verhandlungen für Deutschland aktiv weiter zu führen und zu begleiten. Wie wichtig das vor allem der Kanzlerin ist, hatte die noch am Wochenende in einer Videobotschaft deutlich gemacht.

Die zwei größten Wirtschaftsräume der Welt könnten nur voneinander gewinnen, wenn sie die ganzen Handelshemmnisse, seien es Zollschranken oder aber auch nicht-tarifäre Hemmnisse abbauen, sagte sie. Das werde Arbeitsplätze schaffen. Dabei solle weder der Verbraucherschutz noch der Umweltschutz eingeschränkt werden.

Beim Koalitionspartner der SPD herrscht nach dem Parteikonvent eine unverkennbare Erleichterung. Es ist zu begrüßen, dass sich nun auch die SPD eindeutig zu den Chancen von TTIP bekennt. Für die Union war immer völlig klar, dass TTIP die zentrale Wachstumsperspektive für Deutschland und für Europa eröffnet, sagte Joachim Pfeiffer, wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag.

Nur mit TTIP werden die westlichen Demokratien eine Chance haben, auch im 21. Jahrhundert globale Standards zu setzen, etwa im Umwelt-, Arbeits- oder Verbraucherschutz." Nun sei Sigmar Gabriel als zuständiger Minister besonders gefordert, bei den die weiteren Verhandlungen zu TTIP nicht zaghaft, sondern mutig voranzuschreiten.

Auch Carsten Linnemann, Chef der Mittelstandsvereinigung der Union, sah das so. Er erwarte, dass die SPD jetzt die Handbremse löst und ihrer Verantwortung als Regierungspartei nachkommt.

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