Oberhirte von Mossul Emil Nona berichtet der Bischofskonferenz

FULDA · Emil Shimoun Nona (46), 2009 von Papst Benedikt XVI. zum Nachfolger des ermordeten Erzbischofs von Mossul ernannt, ist nach der Eroberung der irakischen Millionenstadt durch die Milizen des "Islamischen Staats" (IS) praktisch obdachlos.

Er lebt in einem Auto, aus dem heraus er sich um die Christen kümmert, die zu Hunderttausenden auf der Flucht vor der IS sind. Gegenwärtig ist Erzbischof Nona Gast der in Fulda tagenden Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz.

Bevor er sich gestern Nachmittag den Fragen der Journalisten stellte, berichtete er den 66 Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz über die Lage der Christen im Irak, wo noch vor zehn Jahren über eine Million Christen lebten. Heute sind es wohl nur noch 300 000. Und die meisten von ihnen sitzen gewissermaßen auf "gepackten Koffern".

Sie alle haben Angst vor der mörderischen Miliz des "Islamischen Staats", die Christen zum Übertritt zum Islam oder zur Zahlung von Schutzgeld zwingt. Die dritte Alternative ist die Ermordung.

Inzwischen leben Millionen irakischer Flüchtlinge - in der Mehrheit übrigens Muslime - in Unterkünften, die diesen Namen eigentlich nicht verdienen. Und das angesichts des nahenden Winters.

Obwohl die katholische Kirche bereits den geflohenen irakischen Christen mit vielen Millionen Euro geholfen hat, wird dringend weitere Hilfe benötigt - nach den Worten von Erzbischof Nona vor allem heizbare Unterkünfte, Lebensmittel, Medikamente, Kleidung. Und so hat die Herbstvollversammlung spontan für den 11. und 12. Oktober in allen 27 Bistümern eine Sonderkollekte beschlossen.

Für Bambergs Erzbischof Ludwig Schick, der in der Deutschen Bischofskonferenz die Kommission Weltkirche leitet, hat die westliche Welt den "heraufziehenden Sturm" durch die IS zu spät erkannt. Dennoch kann aus der Sicht der katholischen Bischöfe im Nahen Osten und Vorderen Orient Frieden nicht durch einen "Waffengang" erreicht werden.

Nur wenn es im Irak und Syrien gelinge, erträgliche Lebensverhältnisse für alle Menschen zu schaffen und die Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen überwunden werde, könnten nach Überzeugung der Deutschen Bischofskonferenz "Fanatismus und die wachsende Neigung zur Gewalt besiegt werden."

Zugleich sind sich die Bischöfe in Fulda einig, dass zur Bekämpfung der IS der "begrenzte Einsatz von Gewalt" "vertretbar und geboten" ist - "solange eine andere plausible Strategie nicht erkennbar ist." Erzbischof Nona freilich lässt durchblicken, dass Luftschläge allein den "Islamischen Staat" nicht bezwingen werden.

Zugleich ist er Deutschland für die Lieferung von Waffen an die kurdische Peschmerga dankbar, damit dem "Islamischen Staate" besser Einhalt geboten und er womöglich auch zurückgedrängt werden kann.

Nach Erzbischof Nona sind allein seit dem 9. Juni 2014 über 120 000 Christen aus dem Gebiet Mossul und Ninive geflohen: "Sie haben alles verloren, ihren Besitz, ihre Arbeit, ihre Heimat." In Kurdistan, wo sie zunächst Zuflucht gefunden hätten, seien alle Kirchen, Schulen, Hallen, Parks, Rohbauten überfüllt. Der Oberhirte von Mossul fordert die Schaffung von "Schutzzonen" für Minderheiten, kann aber das Ende des Christentums im Irak, das zu den ältesten seiner Geschichte zählt, nicht ausschließen.

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