100 Verletzte in Jalalabad Der IS ist in Afghanistan angekommen

BAMIYAN · Es war ein Anschlag der übelsten Sorte. 34 Afghanen starben, über 100 erlitten teilweise lebensgefährliche Verletzungen, als ein Selbstmordattentäter sich vor dem Eingang der Kabul Bank in der ostafghanischen Stadt Jalalabad in die Luft sprengte.

 Geborstene Fenster: Männer in einem Bürogebäude diskutieren erregt nach dem IS-Anschlag.

Geborstene Fenster: Männer in einem Bürogebäude diskutieren erregt nach dem IS-Anschlag.

Foto: dpa

Ein Mann namens Shahidullah Shahid, bis Ende vergangenen Jahres noch Sprecher der Gruppe "Thereek e Taliban Pakistan" (TTP) beanspruchte die Verantwortung für das Attentat im Namen der Organisation "Islamischer Staat Wilayat Khorasan", dem südasiatischen Ableger der Terrortruppe "Islamischer Staat" (IS).

"Wilayat" ist Urdu für Provinz und der Name steht für den Anspruch des IS, sein "Kalifat" bis nach Indien, Bangladesch und Teilen Birmas zu erweitern. Die radikalislamischen Talibanmilizen Afghanistans und Pakistans distanzierten sich umgehend von dem Attentat. Kabuls Präsident Ashraf Ghani beschuldigte ebenfalls den IS für den brutalen Anschlag.

Erstmals haben damit Extremisten im Namen der Terrorgruppe in Afghanistan zugeschlagen. In der vergangenen Woche verübte ein anderes Kommando der gefürchteten, bislang weitgehend im Nahen Osten und Europa aktiven Gruppe, einen Überfall in der pakistanischen Hafenstadt Karachi und verletzte eine US-Bürgerin.

"Es gibt jetzt zum ersten Mal eine islamistische Untergrundbewegung in Pakistan, die weder direkt noch indirekt von Teilen der pakistanischen Sicherheitskräfte geführt wird", sagt ein Terrorexperte. In der afghanischen Stadt Jalalabad erklärte gegenüber dieser Zeitung Haji Aziz Sanagul, ein ehemaliges Mitglied von Kabuls "Friedensrat", der Verhandlungen mit den Talibanmilizen anstrebte: "Das sind die gleichen Leute. Sie haben nur ihre weißen Fahnen für die schwarzen Fahnen des IS ausgetauscht. Wir sind alle sehr besorgt". Viele Afghanen glauben an eine "ausländische Hand" hinter dem schnellen und brutalen Auftritt von Daesh. Je nach Überzeugung nennen sie Araber, Tschetschenen oder die USA.

Laut Terrorexperten in Kabul sind weder in Afghanistan noch im benachbarten Pakistan bislang ausländische Vertreter des IS ansässig geworden sind. "Seit der Anti-Taliban-Offensive der pakistanischen Armee in der Grenzregion sind seit vergangenem Jahr viele Extremisten überwiegend zentralasiatischer Herkunft in Afghanistan aufgetaucht", beschreibt ein Anti-Terror-Experte in Kabul die Entwicklung der vergangenen Monate, "sie haben mit US-Dollars um sich geworfen, hatten ihre Familien dabei und behaupteten, sie würden nicht zu den Taliban, sondern zum IS gehören."

Es handelte sich offenbar um Mitglieder der "Islamischen Bewegung Usbekistan" (IMU), die in der Vergangenheit auch deutsche und europäische Extremisten anlockte. Die IMU verkündete vor einigen Wochen, sie habe sich dem IS angeschlossen. "Sie sagen den Leuten, Taliban würde sie verraten, weil die Milizen verhandeln wollten", sagt ein Experte, "sie zahlen viel Geld und sagen den Leuten, sie sollten nichts unternehmen - solange nicht, bis sie vom Islamischen Staat wieder angesprochen werden." Mit einer ähnlichen Strategie ging der IS in Syrien und im Irak vor.

Gegenwärtig wandern viele der aus Pakistan vertriebenen Extremisten mit ihren Familien Richtung Afghanistans Norden. Sie suchen eine Zuflucht für ihre Angehörigen.

In Masar-i-Scharif, an dessen Flughafen Bundeswehr-Soldaten stationiert sind, und um den Ex-Bundeswehr-Standort Kundus haben die Anschläge zugenommen. Lokale Medien sprechen bereits von einer Verlagerung des Krieges nach Norden. "Mittlerweile sind alle nervös", heißt es in Kabul, "Zentralasiens Diktatoren, Pakistaner, Afghanen und auch China."

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