Zwischen Groko und Selbstbestimmung Unruhe vor dem SPD-Bundesparteitag in Berlin

Berlin · Am Donnerstag beginnt der dreitägige SPD-Bundesparteitag in Berlin. Die Basis der Partei hat in Sachen Gespräche über eine Regierungsbeteiligung mit CDU und CSU mit zwei Initiativanträgen vorgelegt.

 Kündigte einen Antrag gegen den Eintritt in eine erneute Groko an: Juso-Chef Kevin Kühnert.

Kündigte einen Antrag gegen den Eintritt in eine erneute Groko an: Juso-Chef Kevin Kühnert.

Foto: dpa

Wenn schon, dann richtig. Die Basis ist alarmiert, das Logbuch ist ausgelegt. Wenn Martin Schulz die Mitglieder der SPD über Gespräche mit CDU und CSU schon befragen will, dann möglichst bald. Das jedenfalls sehen zwei Initiativanträge aus den Ländern an den dreitägigen SPD-Bundesparteitag vor, der an diesem Donnerstag in Berlin beginnt. Schließlich hat Schulz seiner Partei versprochen: mehr Basis, weniger Boss. Und der Boss kennt die Antragslage.

Noch bevor der SPD-Vorsitzende am Donnerstag zur Mittagsstunde zu den 600 Delegierten dieses Bundesparteitages sprechen wird, hat die Basis schon vorgelegt. Die Landes-SPD in Berlin wie auch die SPD in Sachsen-Anhalt wollen Schulz mit zwei Anträgen dazu bringen, die Mitglieder möglichst rasch über Gespräche mit CDU und CSU abstimmen zu lassen. Schulz plant bislang ein Votum der Mitglieder erst nach Abschluss der Verhandlungen über eine große Koalition und hofft, dass dieser Parteitag seinen Plan billigen wird.

Doch Teile der Basis wollen, dass Schulz die Partei schon vor dem Eintritt in Gespräche über den Fortgang dieses Prozesses abstimmen lässt. „Ich halte es für richtig, dass wir als Mitmachpartei auch alle Mitglieder vor einer so bedeutsamen Weichenstellung befragen“, betont der SPD-Landeschef in Sachsen-Anhalt, Burkhard Lischka. Weil es in der SPD Befürworter für alle drei Optionen – Groko, Tolerierung einer Minderheitsregierung oder Neuwahlen – gebe, „sollten die Mitglieder zu Wort kommen“ – vor Gesprächen und nicht erst nach deren Abschluss.

Auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft

Der Landesvorstand der Berliner SPD sorgt gleichfalls für Unruhe, weil die Hauptstädter in einem Initiativantrag verlangen, bereits nach Sondierungsgesprächen die Mitglieder zu befragen, ob Koalitionsverhandlungen überhaupt aufgenommen werden sollen. Würde einer dieser Anträge durchkommen, wäre die Beinfreiheit, die Schulz für sich als Parteichef reklamiert, schon eingeschränkt.

Die Sozialdemokraten sind derzeit auf einem Weg in eine ungewisse Zukunft. Aus der Opposition, die Schulz als Rolle auch zur Erneuerung der Partei ausgerufen hatte, sind sie gerade dabei, sich wieder zu verabschieden. Die SPD wird bei diesem Bundesparteitag ihr Koordinatensystem noch einmal vermessen. Die Partei wandelt irgendwo zwischen Groko und Selbstbestimmung. Elf Punkte sind in dem Leitantrag als „essenziell“ aufgeführt und beschrieben.

Darunter ist die von den Unionsparteien entschieden abgelehnte Einführung einer Bürgerversicherung. Beiträge zur Krankenversicherung würden sich Arbeitgeber und Beschäftigte dann wieder paritätisch teilen. In der Flüchtlingspolitik besteht die SPD darauf, dass „die temporäre Aussetzung des Familiennachzuges nicht verlängert“ werde. Erneuerung in einer Regierung, das ahnt Schulz, wird wohl schwieriger als in der Opposition. „In jedem Fall werden wir die Erneuerung der SPD vorantreiben“, heißt es im Leitantrag, letzter Satz.

Den Jusos in der SPD ist das zu wenig. Deren Chef Kevin Kühnert kündigte für den Parteitag schon einen Antrag an, mit dem die Jusos einen Wiedereintritt in eine Groko ausschließen wollen. Schulz will sich davon nicht beirren lassen. Am Mittwoch lobte er die Erfolge in der Groko: „Die SPD kann stolz darauf sein, was sie in dieser Regierung geleistet hat.“ Hat da jemand Lust auf mehr?

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