Ministerium: Teilnahme unzulässig Schüler streiken wieder für den Klimaschutz

Münster/Bonn · An diesem Freitag werden wieder zahlreiche Schüler in Deutschland auf die Straße gehen und für den Klimaschutz demonstrieren. In der Schule werden sie fehlen - was zu Diskussionen führt.

Jan Seiling ist volljährig, seine Entschuldigungen für die Schule kann er schon selbst schreiben. Das hat er am vergangenen Freitag nicht getan, als er gefehlt hat. "Einige Mitschüler haben gesagt, sie seien krank, um entschuldigt fehlen zu können. Ich will aber nicht lügen, wenn ich für den Klimaschutz protestiere", sagt der Schüler vom Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium in Münster. Unentschuldigte Fehlstunden nimmt Seiling in Kauf, ein bisschen will er sie bewusst riskieren.

An diesen Freitag wird Seiling vermutlich wieder fehlen. So wie seit ein paar Wochen Tausende Schüler, darunter viele Minderjährige, in über 100 Städten bundesweit. Auch Studenten schließen sich dem Protest an. "Fridays for Future", wie sich die Bewegung nennt, folgt dem Aufruf der 16-jährigen Greta Thunberg aus Schweden: "Wieso sollen wir zur Schule gehen, wenn die Politik unsere Umwelt nicht schützt?" Die Aktivistin sprach auch beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos.

Das Schulministerium NRW bezeichnet die Teilnahme an den Streiks als unzulässig. "Das Recht, an Demonstrationen teilzunehmen, findet seine Schranken im staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag und in den gesetzlichen Bestimmungen zu Schulpflichterfüllung", heißt es aus dem Ministerium. Wenn Schüler die Schule schwänzten, könne das pädagogische Maßnahmen nach sich ziehen, unentschuldigtes Fehlen gehöre dokumentiert.

Auch die Kölner Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde für unter anderem Gymnasien, Gesamt- und Realschulen hält nichts davon, dass Schüler an Freitagen demonstrieren statt in die Schulen zu gehen. "Die Teilnahme an Schülerstreiks während der Unterrichtszeit darf nicht auf Kosten des Schulbesuchs gehen und ist daher unzulässig", teilt Pressereferent Dirk Schneemann mit.

Unter 20-Jährige zunehmend politisch engagierter

Allerdings überlässt das Ministerium die Verantwortung für die Bildungsarbeit den Schulen. In Einzelfällen und unter Aufsicht könne die Schule den Unterricht an außerschulische Orte verlegen. "Das geht aber nur einmalig", betont Ralf Schreiber. Der Schulleiter des Düsseldorfer Goethe-Gymnasiums sagt, er habe "zwei Seelen in einer Brust". "Als Mensch sympathisiere ich mit der Bewegung und finde es toll, dass die Schüler sich engagieren", sagt er. Als Schulleiter sei er in einer anderen Funktion. "Für einen Streik wird kein Schüler beurlaubt oder entschuldigt. Wer regelmäßig den Unterricht säumt,

muss auch die Konsequenzen tragen." Klaus Hurrelmann ist Jugendforscher an der Berliner Hertie School of Governance. Seit einigen Jahren beobachtet er eine deutliche Veränderung im politischen Engagement der Jugend. Seine These: Die unter 20-Jährigen werden zunehmend politisch engagierter, weil sie - im Gegensatz zur vorhergehenden Generation - wirtschaftlich abgesichert sind. "Ihre existenzielle Unsicherheit entsteht nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt, sondern durch das Thema Umwelt." Dass es bei "Fridays for Future" vor allem die Schülerschaft ist, die zivilen Ungehorsam anzettelt, und nicht die Studenten, überrascht ihn dennoch. "Wenn das Engagement nicht punktuell bleibt und Disziplin und Widerstandsfähigkeit beweist, dann könnte es sich um eine politische Bewegung handeln, wie wir sie in der Altersklasse noch nie hatten." Hurrelmann empfiehlt den Schulen trotzdem, mit harten Regeln zu reagieren. "Das signalisiert den Schülern, dass sie ernst genommen werden."

Rabea Sise hat die "Fridays for Future"-Bewegung in Düsseldorf initiiert. Ihre Fehlstunden sind der 21-jährigen Berufsschülerin egal. "Der Protest ist mir wichtiger", sagt sie. "Ich habe eine kleine Tochter, die muss später mit den Folgen des Klimawandels leben. Das hat mich wachgerüttelt."

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